Dem inneren Leuchten nach
Lebensgeschichten. Die Salzburgerin Micky Kaltenstein hat sich auf die Suche nach Menschen gemacht, die ihr Glück aus der Stille schöpfen.
Was haben der Geigenbauer Peter Svatek aus Salzburg, die Floristin Bella Meyer aus New York, die in den Tiroler Bergen lebende Drehbuchautorin Karin Michalke oder der Münchner Fahrradbauer Christopher Lewis gemeinsam? Sie alle sind Menschen, in deren Leben die Stille eine besondere Bedeutung hat. Sie schöpfen ihre Kraft und ihr Glück aus tätiger Ruhe.
Zusammengetragen hat die Lebensgeschichten dieser ganz unterschiedlichen Persönlichkeiten die Salzburger Autorin, Journalistin und Texterin Micky Kaltenstein. In ihrem neuen Buch „Stille“versammelt sie neun Porträts von Zeitgenossen, die kein großes Aufheben um sich und ihre Talente machen. Begonnen hat Kaltenstein ihre Suche allerdings nicht mit der Stille, sondern mit einer ganz anderen Frage. „Mich hat schon als Kind fasziniert, dass es Menschen gibt, die von innen heraus zu leuchten scheinen“, erzählt die Salzburgerin.
Im Lauf der Zeit ist ihr klar geworden, dass sich dieses innere Leuchten vor allem bei Menschen zeigt, die ihre Passion gefunden haben. Menschen, die genau das machen, was sie zutiefst begeistert. Daraus reifte die Idee, Lebenswegen solcher Menschen nachzuspüren und darüber ein Buch zu schreiben. „Mir ist es dabei nicht nur um die schönen Seiten und Erfolge gegangen, sondern auch darum, die Schattenseiten zu erzählen. Ich wollte wissen, warum sie trotzdem bei ihrer Sache geblieben sind“, erinnert sich Kaltenstein.
Während der langen Gespräche mit den Menschen, die sie für den im Frühjahr erschienenen Band „Begeisterung“porträtierte, wurde ihr aber auch klar, dass dieses innere Leuchten nicht nur von der nach außen gerichteten Begeisterung für eine Sache kommt. Es gibt auch Menschen, die strahlen, weil sie ihre Hingabe nur für sich, ganz im Stillen leben. „Viele dieser Menschen habe ich erst überreden müssen, mir ihre Geschichte zu erzählen“, schmunzelt die Salzburgerin: „Die meisten fanden, dass sie selbst nicht interessant genug seien.“
Ein Irrtum, wie sich zeigte. In ihren Interviews hat Kaltenstein dann nämlich spannende Lebenswege gefunden und eine unglaubliche Hinwendung und Freude dieser Menschen zu ihrer jeweiligen Tätigkeit gespürt. Sie fühlte sich selbst reich beschenkt von den biografischen Erfahrungen, die sich da auftaten. Peter Svatek beispielsweise ist Geigenbauer, er hat seine Leidenschaft für dieses Handwerk erst spät gefunden und ist rundum glücklich in seiner Werkstatt. Die Stille, die er für seine Arbeit braucht, kommt aus seinem Inneren.
Oder Bella Meyer, die Enkelin des Malers Marc Chagall. Sie hat in New York ein Blumenstudio und flüchtet so oft wie möglich aus der lauten Stadt aufs ruhigere Land. Den Lärm vergisst sie auch, wenn sie ganz in ihre Arbeit mit den Blumen versinkt. Stille braucht auch Elisabeth Pozzi-Thanner. Die Oberösterreicherin zeichnet die Erinnerungen von Menschen, die den Holocaust überlebt haben, auf. Das Grausame kann sie nur ertragen, wenn sie sich in ihren inneren Ort der Stille zurückziehen kann.
Und wie hält es Kaltenstein selbst mit der Stille? „Ich brauche schon Ruhe“, erzählt sie. Doch Stille bedeute für sie nicht die völlige Abwesenheit von Geräuschen. Das Vogelgezwitscher vor dem Fenster, das Rauschen der Blätter im Wind oder das Knirschen von Schnee sind Geräusche, die sie glücklich machen. Wenn andere Menschen laut telefonieren, kann sie das ganz schön aus ihrer Ruhe bringen. Eine Erkenntnis über die Stille hat Kaltenstein aus ihren Interviews mitgenommen: Die glücklichsten stillen Momente sind jene, in denen man ganz versunken in sich selbst etwas tut. Egal, ob das Geigenbauen, Schneidern oder Schreiben ist.