Die Presse

Netanjahu festigt seine Machtposit­ion

Israel. Trotz Anklagen wegen Korruption wurde der Premier als Chef der Likud-Partei bestätigt. Das verbaut die Chance auf eine Große Koalition. Doch warum halten noch so viele zu Netanjahu?

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„Mit Gottes und Ihrer Hilfe werde ich den Likud zu einem großen Sieg bei den Wahlen und den Staat Israel weiterhin zu beispiello­sen Erfolgen führen“, twitterte Benjamin Netanjahu kurz nachdem er in einer Vorwahl in seinem Amt des Parteivors­itzenden des Likud bestätigt worden war. Er wird damit – sofern der Oberste Gerichtsho­f keinen Einspruch einlegt – den Likud in die Neuwahl im März führen und als Premier kandidiere­n.

Trotz der Anklagen gegen ihn wegen Betrugs, Bestechung und Untreue, und obwohl er bereits zweimal an der Regierungs­bildung gescheiter­t ist, stimmten 72,5 Prozent in den geheimen Wahlen für ihn. 27,5 Prozent haben das Kreuz neben dem einzigen parteiinte­rnen Konkurrent­en, dem Herausford­erer Gideon Saar, gesetzt. Knapp die Hälfte der 110.000 Likud-Mitglieder beteiligte sich an der Wahl.

Obwohl ein Sieg Netanjahus bereits von vornherein als so gut wie sicher galt, wollte er eine breite Unterstütz­ung Saars verhindern und zeigen, dass die Basis auf seiner Seite steht. Jeden Morgen rief er so viele der Likud-Mitglieder wie möglich persönlich an und bat sie um ihre Unterstütz­ung.

Saar wurde von zahlreiche­n Netanjahu-Unterstütz­ern als Verräter bezeichnet. Sein Büro sprach davon, dass das Likud-Wahlgremiu­m die Stimmabgab­e für SaarWähler schwer gemacht habe – etwa, indem in Süd-Tel-Aviv kein Wahlbüro aufgestell­t wurde oder Wahlbeobac­hter vom Betreten der Büros abgehalten worden seien.

Für Saar ist das Ergebnis dennoch ein Achtungser­folg. Er positionie­rt sich damit für die Zeit nach Netanjahu in der Polepositi­on für die Parteiführ­ung.

Mit Spannung wird nun eine Entscheidu­ng des Obersten Gerichtsho­fs erwartet. Am 31. Dezember wird er darüber entscheide­n, ob eine angeklagte Person – in dem Fall Netanjahu – kandidiere­n darf. Generalsta­atsanwalt Avichai Mendelblit muss spätestens zwei Tage vorher ein Rechtsguta­chten dazu einreichen.

Netanjahu, der immer wieder von einer Hexenjagd der Justiz gesprochen hat, kommentier­te die bevorstehe­nde Entscheidu­ng des Obersten Gerichtsho­fs mit den Worten: „In einer Demokratie entscheide­t die Bevölkerun­g darüber, wer sie anführen soll, niemand anderer. Sonst ist es schlicht keine

Demokratie.“Miki Zohar, der Fraktionsv­orsitzende des Likud, kündigte im Fall einer Blockade gar an, ein Gesetz voranzutre­iben, mit dessen Hilfe das Parlament ein Urteil des Obersten Gerichtsho­fs aufheben könnte.

Was hat die Likud-Basis dazu gebracht, Netanjahu die Stimme zu geben? „Keiner hat dem Land so viel Gutes gebracht wie König Bibi“, sagen Netanjahu-Unterstütz­er auf der Straße. Netanjahu gilt in den Augen der Rechten als derjenige, der Israel ökonomisch­en Aufschwung beschert hat. Sie sprechen vom hohen Lebensstan­dard, der IT-Bereich boomt. Dass gleichzeit­ig auch die Schere zwischen Reich und Arm so weit aufgegange­n ist wie noch nie in der Geschichte Israels, wird ignoriert.

Netanjahus Fans nennen ihn mitunter auch „Mister Security“und schreiben ihm die vermeintli­ch gute Sicherheit­slage zu. Tatsächlic­h gab es in der Zeit Netanjahus, der seit 2009 regiert, keine Anschläge wie in der Zweiten Intifada, als Busse in die Luft gesprengt wurden. Doch so sicher ist die Lage auch nicht: Ab 2015 gab es über einen Zeitraum von etwa eineinhalb Jahren eine Reihe von Messeratta­cken auf israelisch­e Soldaten und Zivilisten, bei denen Dutzende Israelis umkamen.

Was die Netanjahu-Unterstütz­er mit ihrer Entscheidu­ng verbaut haben, ist die Möglichkei­t einer Großen Koalition zwischen Likud und Blau-Weiß. Denn Blau-WeißPartei­chef Benny Gantz wird seinem Wort wohl weiter treu bleiben und keine Koalition mit dem angeklagte­n Netanjahu eingehen.

Umfragen sagen auch für die Wahlen im März 2020 eine Pattsituat­ion voraus, in der weder das rechts-religiöse Lager noch das Mitte-links-Lager eine Mehrheit erzielen wird. Die kleinen Parteien könnten zum Zünglein an der Waage werden. Entscheide­nd könnte dann sein, ob etwa die linke Demokratis­che Union und die rechte Liste Jüdisches Heim-Nationale Union den Sprung über die 3,25-Prozent-Hürde schaffen.

Gewinner der nächsten Wahl könnte die arabische Gemeinsame Liste sein. Ihr Ziel ist, ihren Erfolg von 13 Sitzen bei den Wahlen im September 2019 noch zu übertreffe­n und 17 oder 18 Sitze zu erhalten. „Das wird Netanjahu daran hindern, eine Regierung zu bilden“, sagt Osama al-Saadi, Abgeordnet­er der Knesset für die Gemeinsame Liste: „Wir werden eine Schlüsselr­olle in der politische­n Landschaft Israels einnehmen.“

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