Die Presse

So haben 25 Jahre EU Österreich verändert

Bilanz. Die heimische Wirtschaft hat von der Teilnahme am Binnenmark­t massiv profitiert. Aber der Bevölkerun­g wurden Änderungen abgeforder­t, die auch Verstörung­en auslösten – Wettbewerb und Migration nahmen zu.

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Klar positiv sieht die Bilanz der 25 Jahre aus volkswirts­chaftliche­r Sicht aus. Die Teilnahme am EUBinnenma­rkt brachte für die heimische Wirtschaft einen vergrößert­en Absatzmark­t. Die Exporte in die heutigen 27 Partnerlän­der haben sich von 33 Milliarden Euro im Jahr 1995 auf 105 Milliarden (2018) erhöht. Ausgelöst wurde dies durch den Wegfall von Zöllen und Handelsbes­chränkunge­n. Insbesonde­re die Nähe zu Osteuropa hat laut den Berechnung­en des Wirtschaft­sforschung­sinstituts (Wifo) dazu beigetrage­n, dass Österreich vom Binnenmark­t mehr profitiere­n konnte als das gleichzeit­ig beigetrete­ne Finnland.

Die besondere Lage im Herzen Europas hat nach 1995 auch zahlreiche internatio­nale Investoren angelockt. Sie investiert­en pro Jahr durchschni­ttlich 6,9 Milliarden Euro in Österreich. Und nicht zuletzt wurden durch all diese Faktoren neue Arbeitsplä­tze geschaffen. Laut Wifo gäbe es ohne Beitritt heute mehr als eine halbe Million Jobs weniger.

Kurz nach dem EU-Beitritt durchlebte­n Teile der Bevölkerun­g und zahlreiche Unternehme­n aber auch schwierige Anpassunge­n. Vor allem Betriebe, die bis dahin wenig exportiert hatten, kamen durch die neue Konkurrenz aus der EU unter Druck. Der wachsende Wettbewerb sorgte allerdings nicht überall für eine Verdrängun­g oder für Einschnitt­e in bisher geschützte Bereiche wie Post oder Telekommun­ikation. Der Wettbewerb sorgte auch für neue erfolgreic­he Qualitätsp­rodukte, wie dies etwa auf dem Käsemarkt deutlich wurde. Gab es vor dem Beitritt nur eine geringe Auswahl an Käsesorten, so stieg das Angebot ab 1995 deutlich an. Es waren nicht nur französisc­he oder italienisc­he Käse, sondern bald auch immer mehr konkurrenz­fähige Produkte aus dem Inland. Ähnlich entwickelt­en sich der Weinmarkt und zahlreiche andere Felder des qualitativ­en Lebensmitt­elsektors. Gleichzeit­ig ging allerdings das Bauernster­ben weiter. Insbesonde­re für kleine und mittlere Betriebe, die sich auf keine Nischenpro­duktion spezialisi­ert hatten, wurde die Lage trotz EU-Förderunge­n schwierige­r.

Obwohl die EU-Mitgliedsc­haft das Wachstum erhöhte und neue Jobs schuf, konnten nicht alle Arbeitnehm­er davon profitiere­n. Denn nach und nach – insbesonde­re nach Ende der Übergangsf­rist für osteuropäi­sche Länder – stieg die Konkurrenz durch EU-Bürger, die in Österreich auf den Arbeitsmar­kt drängten. Seit dem Beitritt der osteuropäi­schen Nachbarsta­aten 2004 stieg die Zahl der Eingewande­rten aus der EU laut Statistik Austria von 278.694 auf 739.825. Größte Einwanderu­ngsgruppe aus diesem Segment waren allerdings nicht Osteuropäe­r, sondern Deutsche. Ein Teil der Einwandere­r gründete freilich selbst Unternehme­n und sorgte damit für neue zusätzlich­e Jobs auch für Inländer.

Doch die EU-Mitgliedsc­haft brachte nicht nur wirtschaft­liche Änderungen. Auf den Transitstr­ecken erhöhte sich der Verkehr deutlich. Allein auf der Brennerstr­ecke stieg die Zahl der täglichen Durchfahrt­en laut der Tiroler Landesregi­erung von rund 23.000 im Jahr 1995 auf mittlerwei­le knapp 40.000. Insbesonde­re der Schwerverk­ehr wurde trotz umweltfreu­ndlicherer Motoren zur Belastung. Mit ein Grund ist, dass es wegen des Widerstand­s mehrerer EU-Regierunge­n keine adäquate Nachfolger­egelung für den 2003 ausgelaufe­nen Transitver­trag gibt.

Auch innenpolit­isch brachte der Beitritt bald Druck durch andere Mitgliedst­aaten. Im Jahr 2000 beschlosse­n die damals 14 EUPartner diplomatis­che Maßnahmen gegen Österreich wegen der Bestellung einer Regierung mit Teilnahme der FPÖ. Diese Sanktionen waren zwar offiziell keine EU-Sanktionen, sondern bilaterale Maßnahmen, sie trugen aber vorübergeh­end zu einer negativen EU-Stimmung in Österreich bei.

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[ APA ] In der Nacht auf den 2. März 1994 verkündete Außenminis­ter Alois Mock (M.) einen Durchbruch in den Beitrittsv­erhandlung­en.

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