Harald Mahrer fordert „Entlastung für alle“
Interview. Wirtschaftskammer-Präsident Mahrer über den neuen Ost-West-Konflikt und die Herausforderungen der nächsten Bundesregierung.
In einer Herausforderung stecken wir mittendrin, das ist der Handelskrieg zwischen China und den USA. Diese große Auseinandersetzung zwischen den beiden neuen Machtblöcken in wirtschaftlicher, aber auch militärischer Hinsicht wird das kommende Jahr weiterhin prägen.
So kann man es sagen, und auch einen neuen ideologischen Konflikt. Auf der einen Seite die von freien Märkten und technologie-monopolistisch getriebenen USA. Auf der anderen Seite steht digitale Überwachung und Zentralismus in China. Das sind die beiden neuen Systeme, die gegeneinander antreten und mittlerweile auch viele handelspolitische, aber auch geopolitischmilitärische Stellvertreterkriege führen. Das kann man in Südostasien und Afrika beobachten. Das Rennen um Bodenschätze und Ressourcen findet primär zwischen China und den USA statt.
Ja, vor allem weil in den USA die Präsidentschaftswahl ist. Das ist auch der größte Unsicherheitsfaktor für unsere Exportwirtschaft, weil wir eben nicht wissen, was Donald Trump tun wird. Es kann zu großen Unsicherheiten auf den Märkten kommen. Die Aktien- und Rohstoffpreise haben ein sehr hohes Niveau erreicht. Da ist überall ein großes Schock-Abwärtspotenzial vorhanden. Das kann zu währungspolitischen Verwerfungen führen. Das ist für eine kleine, exportorientierte Volkswirtschaft wie Österreich ganz schlecht.
Wir stecken längst in einer technologischen Auseinandersetzung. Aber das betrifft meiner Meinung nach nicht allein das Jahr 2020, das ist eine der großen Fragen des kommenden Jahrzehnts: Es geht um die Frage, wer auf dem Gebiet der Daten und Internettechnologie das Rennen macht.
Hier wird uns vor allem die Frage der Mobilität beschäftigen. Das hängt mit dem Umbruch der deutschen und europäischen Automobilindustrie zusammen. Österreich ist ja eines der stärksten Zulieferländer. Die gute Nachricht ist: Österreichs Unternehmen sind auf diesem Gebiet sehr innovativ und setzen nicht nur auf E-Mobilität, sondern etwa auch auf Wasserstoff und HybridLösungen.
Ja, da geht es darum, wie schnell dieser Green Deal der EU-Kommission in Gang kommt. Hingegen ist der gordische BrexitKnoten jetzt mal gelöst. Den werden wir gut verkraften. Ich erwarte sogar, dass der britische Premier, Boris Johnson, einen Gang zurückschaltet und einen moderaten Weg einschlägt.
Die nächste Bundesregierung muss für Stabilität und Sicherheit sorgen. Sie sollte die Inlandsnachfrage und den Konsum weiter auf hohem Niveau halten, indem sie Entlastung für alle durchzieht. Mehr netto vom Brutto also. Das gilt für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer genauso wie für die Betriebe. Da wäre die Regierung gut beraten, bald zu sagen, dass sie das macht. Das hätte eine psychologische Wirkung. Wenn man will, dass Unternehmen investieren, braucht es Rechts- und Planungssicherheit. Das betrifft das Energiesystem genauso wie die Digitalisierung. Die Betriebe müssen sich darauf verlassen können, dass die digitalen Netze ausgebaut werden. Dazu muss sich die Regierung budgetäre Spielräume schaffen. Und diese wird sie nur haben, wenn die Wirtschaft wieder stärker wächst. Ich glaube, dass deshalb jetzt der richtige Zeitpunkt wäre, investitionsunterstützende Maßnahmen zu setzen. Etwa in Form von Abschreibungen oder Investitionsfreibeträgen. Aber man muss das jetzt machen.
Wir brauchen keine Programme zur Unterstützung der Konjunktur, wir sind ja nicht in der Rezession. Aber es braucht ein klares Signal, Investitionen zu unterstützen. Die Betriebe müssen mehr investieren, und derzeit investieren sie so wenig wie seit sehr langer Zeit nicht mehr. Das hängt mit der Unsicherheit auf den internationalen Märkten zusammen. Dabei hätten wir großes Potenzial im Bereich der Ersatzinvestitionen und natürlich bei Investitionen in Digitalisierung und im Umweltbereich. Geschwindigkeit ist das Gebot der Stunde. Die Regierung darf nicht ankündigen und danach Jahre verstreichen lassen.
Für den Umstieg im Bereich der Automobilindustrie haben wir nicht auf die Grünen warten müssen. Der findet schon statt.
Es braucht halt seine Zeit. Man kann in ein bestehendes System nicht derart brutal eingreifen, dass es zu Verwerfungen und zu massivem Jobabbau kommt. Eine Regierung, die vorsätzlich und wissentlich zu Arbeitslosigkeit beiträgt, hat jegliche Berechtigung verwirkt. Nur keine Elfenbeinturm-Ansätze. Solche führen zu Massenarbeitslosigkeit. Wir brauchen Systemtransformationen, die von den Menschen mitgetragen werden.
Ich will mich nicht in das Beteiligungs-Management der Republik einmischen. Aber ich habe meine Grundmeinung nicht geändert: Ich vertrete das wirtschaftsliberale Motto „Mehr privat, weniger Staat“. Es hat sich gezeigt, dass der Staat in Bereichen, in denen es nicht um kritische Infrastruktur geht, eher der schlechtere Eigentümer ist. Wo es aber um kritische Infrastruktur geht, sollte der Staat aus ordnungspolitischen Gründen Anteile halten. Aber ich bin mir sicher, dass sich die neue Regierung diesem Thema widmen wird.