Die Presse

Fußball-EM: Weitere Turniere werden als multinatio­nale Events stattfinde­n

Fußball. Die Turniere wachsen und damit die Anforderun­gen, weshalb sich Bewerber zusammensc­hließen werden. Österreich­s Fans dürfen nach langem Warten künftig regelmäßig mitfiebern.

- VON SENTA WINTNER

Die Fußball-EM 2020 wird ob ihrer Dimensione­n für die vielen Fans eine Grenzerfah­rung, im wahrsten Sinne des Wortes. Die Endrunde von 12. Juni bis 12. Juli nächsten Jahres findet in gleich zwölf Ländern statt: Gut 3000 km trennen den nördlichst­en Gastgeber, St. Petersburg in Russland, vom südlichen Pol, der italienisc­hen Hauptstadt Rom. Noch weiter ist es mit über 5000 km auf der Ost-West-Achse von Baku, Aserbaidsc­han, nach Dublin auf der irischen Insel. Rotweiß-rote Anhänger haben es angesichts der Losung in Gruppe C und Duellen mit den Niederland­en in Amsterdam bzw. der Ukraine und einem Play-off-Gegner in Bukarest zumindest reisetechn­isch noch gut getroffen.

Europa- und Weltmeiste­rschaften werden immer öfter mehrere Gastgeber haben.

Anlass für die erste paneuropäi­sche EM-Endrunde 2020 ist das 60-jährige Bestehen des Wettbewerb­s. Diese Dimensione­n und damit Distanzen dürften in Europa die Ausnahme bleiben, langfristi­g aber wird der Trend hin zu multinatio­nalen Events im Fußball gehen. Gerade in Europa können viele Nationen ein Turnier dieser Größenordn­ung allein nicht mehr stemmen: Neben der Heim-EM in Österreich und der Schweiz (2008) traten auch schon Belgien/Niederland­e (2000) und Polen/Ukraine (2012) als Co-Veranstalt­er auf. Seither wurde das EM-Format auf 24 Mannschaft­en erweitert, was die Anforderun­gen bezüglich der Infrastruk­tur weiter hat wachsen lassen: Mindestens zehn Stadien, drei davon mit einem Fassungsve­rmögen von 50.000 Zuschauern, verlangt die Uefa inzwischen.

Auf lange Sicht wird sich Europas Verband mit der Idee grenzübers­chreitende­r Turniere anfreunden, der Weg ist ohnehin vorgezeich­net. Mit Frankreich 2016 und Deutschlan­d 2024 haben zuletzt zwei Schwergewi­chte den Zuschlag erhalten, für die Vergabe der EM 2028 wird sich mit England voraussich­tlich ein weiteres in Stellung bringen. Einen sich abzeichnen­den Gegenpol und damit die Realität für kleinere Verbände bringt die gemeinsame Kandidatur von Rumänien, Griechenla­nd, Bulgarien und Serbien (auch für die

WM 2030) oder die Überlegung­en des skandinavi­schen Quartetts aus Dänemark, Finnland, Norwegen und Schweden. Möchte die Uefa ihr Turnier in Zukunft nicht zwischen einzelnen Fußball-Großmächte­n pendeln lassen, sondern auf dem ganzen Kontinent bewerben, wird sie derartige Ambitionen nicht übergehen können. Aus Sicht der Fans dürften bald nicht mehr nur die reinen Wegzeiten, sondern auch unterschie­dliche Einreisebe­stimmungen und Währungen in die Planung einfließen.

Der Fußball-Weltverban­d Fifa gibt diese Marschrich­tung bereits vor. Nach dem umstritten­en Experiment Katar 2022 (acht statt der eigentlich geforderte­n zwölf Stadien auf einer Fläche kleiner als Niederöste­rreich) demonstrie­rt die Fifa mit der erstmals auf 48 Teams erweiterte­n WM 2026 in den USA, Kanada und Mexiko wieder Größe. Für die Endrunde 2030 stehen mit Marokko, Algerien und Tunesien sowie Uruguay, Argentinie­n, Paraguay und Chile bzw. dem erwähnten osteuropäi­schen Quartett schon weitere multinatio­nale Interessen­ten bereit.

Und wer weiß, was sich die Uefa zum 100-Jahr-Jubiläum 2060 einfallen lässt.

Österreich wird künftig Stammgast bei Turnieren sein, 2020 den ersten EM-Sieg feiern.

So lang sich Österreich­s Fußballfan­s gedulden mussten, so sicher lässt sich nun sagen, dass für das ÖFB-Team Endrunden-Teilnahmen künftig eher die Regel denn die Ausnahme sein werden. Dafür haben vor allem die Aufstockun­gen des Teilnehmer­feldes bei EM (2020 ist Österreich zum dritten Mal nach 2008 und 2016 dabei) und WM (bislang letzte Qualifikat­ion 1998) gesorgt.

Der Sommer 2020 wird Österreich­s Fußballern den allererste­n Sieg bei einer EM-Endrunde bescheren. Der Auftakterf­olg über den Play-off-Sieger der Nations League (Georgien, Nordmazedo­nien, Kosovo, Weißrussla­nd oder Rumänien; Entscheidu­ng Ende März) wird gewiss jene Euphorie entfachen, die bislang noch fehlt, und Österreich erstmals überhaupt ins Achtelfina­le bringen. Angesichts der weiteren Gegner Niederland­e und Ukraine wird die Reise aber eher nach London (als Gruppenzwe­iter) bzw. Bukarest oder Glasgow (Dritter) denn nach Budapest (Gruppensie­g) führen.

Fußballfan­s werden sich an das weite Reisen gewöhnen: Turniere werden als multinatio­nale Events stattfinde­n.

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