Wien: Lackmustest für Michael Ludwig
Stadtpolitik. Das Jahr 2020 wird in Wien die große Bewährungsprobe für den Wiener Bürgermeister. Auch das Schicksal der Bundespartei hängt an ihm.
Es ist kein leichtes Los. Niemand hat so viel zu verlieren wie er. Für niemanden gestalten sich die Rahmenbedingungen des Bundes so, wie soll man sagen, schwierig. Gut, vielleicht auch für die FPÖ. Aber lassen wir die einmal beiseite. 2020 wird das Jahr der großen Bewährung für den Wiener Bürgermeister, Michael Ludwig.
Immerhin hat er seine erste Landtagswahl zu schlagen – und aus SP
Sicht zu verhindern, dass er geschlagen wird, wie das zuletzt mehreren roten Landesparteien widerfahren ist. Der Gegenwind des Bundes, wir wissen es!
Gleichzeitig geht eine Furcht um in der Wiener SPÖ. Beziehungsweise wird intern ein Schreckensszenario gezeichnet: Gibt es am Ende erstmals in der Zweiten
Republik in Wien einen Bürgermeister, der nicht Parteigänger der SPÖ ist? Eher unwahrscheinlich angesichts der Ausgangspositionen und der realen Verhältnisse der Parteien zueinander. Aber auch nicht gänzlich unmöglich.
Genug, dass es zur Motivation der SPÖ-Funktionäre und der letzten verbliebenen Stammwähler reicht.
Beruhigende Daten . . .
Jedenfalls ist Wien das letze mächtige Bollwerk der schwächelnden österreichischen Sozialdemokratie. Insofern entscheidet sich spätestens im Oktober 2020 am Tag der Wiener Landtagswahl mit dem Abschneiden der SPÖ dieser Stadt auch das Schicksal der schwer angeschlagenen Bundesvorsitzenden, Pamela Rendi
Wagner.
Dabei könnten die Daten, die derzeit in roten Kreisen kursieren und der „Presse“vorliegen, für die
SPÖ auf den ersten Blick beruhigend sein. Konkret geht es um die Beliebtheitswerte des Wiener Parteichefs, die (Monate vor der Gemeinderatswahl in Wien) vom Meinungsforschungsinstitut Ifes erhoben wurden. Abgefragt wurde, wen die Wiener wählen würden – wenn sie den Wiener Bürgermeister, analog dem Bundespräsidenten, ad personam wählen könnten.
An der Spitze steht – alles andere als überraschend (Amtsbonus!) – Amtsinhaber Bürgermeister Michael Ludwig, von dem sich demnach 45 Prozent der befragten Wiener vorstellen können, ihn direkt zum Bürgermeister zu wählen. Mit deutlichem Abstand folgt Wiens ÖVP-Chef, Gernot Blümel, der auf 17 Prozent kommt.
Birgit Hebein, die grüne Vizebürgermeisterin, Mitverhandlerin von Türkis-Grün auf Bundesebene, kommt auf 13 Prozent. Schlecht sieht es für FPÖ und Neos aus. Der (voraussichtliche) blaue Spitzenkandidat, Dominik Nepp, erreicht nur sieben Prozent, der liberale Christoph Wiederkehr nur drei Prozent.
Spannend: Es wurde auch abgefragt, wie Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, der zuletzt aus seiner Partei ausgeschlossen wurde und offenbar mit einer neuen Liste bei der Wien-Wahl antreten will, bei den Wienern ankommt. Ihn würden demnach fünf Prozent der Wähler zum Bürgermeister machen.
. . . aber Absturz nicht ausgeschlossen
Welche Rückschlüsse lassen sich aus diesen Daten ziehen – auch wenn Umfragedaten noch dazu so weit vom Wahltermin entfernt naturgemäß mit Vorsicht zu genießen sind? Bei der SPÖ ist Michael Ludwig auf den Spuren seines Vorgängers Michael Häupl. Auch dieser hatte deutlich höhere Beliebtheitswerte als seine Partei. Daher ist im Wahlkampf zu erwarten, dass die SPÖ sich voll auf die Vermarktung der Person Ludwigs konzentriert, um dessen Amtsbonus zu nutzen. Dennoch ist ein Absturz bei der Wahl nicht ausgeschlossen: Die Partei selbst liegt in Umfragen bei 33 bis 35 Prozent. 2015 haben noch fast 40 Prozent ihr Kreuz bei der Wiener Nummer eins gemacht.
Die aktuell mageren Umfrageergebnisse für die SPÖ Wien sind den Turbulenzen auf Bundesebene und der suboptimalen Performance von Parteichefin Pamela RendiWagner geschuldet. Daher ergibt sich eine weitere Parallele zwischen Ludwig und Häupl. Letzterer hatte einst den nicht optimal agierenden Bundesparteichef Werner Faymann intern ermahnt, für die Zeit des Wiener Wahlkampfs abzutauchen. Ähnliches könnte Ludwig nun von Rendi-Wagner erwarten.
Parallelen zwischen Häupl und Ludwig
Eine weitere Parallele zwischen Michael Ludwig und Michael Häupl: Beide strahlen über ihre Partei hinaus und sind für die Anhänger der anderen Parteien (Grüne, ÖVP, FPÖ) attraktiv – dort ist für Ludwig das Potenzial, das Wahlergebnis von 2015 erreichen zu können; trotz der chaotischen Zustände in der Bundespartei.
Die 17 Prozent für Wiens ÖVP-Chef, Gernot Blümel, zeigen: Der Ex-Minister, der wohl wieder in der nächsten Bundesregierung vertreten sein wird, hat bereits einen (für Wiener ÖVP-Chefs) hohen Bekanntheitsgrad und dürfte das Ergebnis seiner Partei, nach dem Debakel bei der WienWahl 2015, da waren es nicht mehr zu unterbietende neun Prozent, mehr als verdoppeln. Hier spielen massiv Blümels Auftritte auf Bundesebene hinein; und natürlich die Performance der Bundes-ÖVP unter dem Wiener Sebastian Kurz. Zumindest ist Blümel, neben Grünen-Chefin Birgit Hebein, der einzige Wiener Parteichef, der entspannt in Richtung Wahl gehen kann.
Hohe Position, geringe Bekanntheit
Damit wären wir bei den Grünen, die in Umfragen zu Höhenflügen im Bereich von 20 Prozent angesetzt haben. Dass die Wiener Grünen diesen (Umfrage-)Erfolg dem Klimathema verdanken, zeigt sich daran, dass sich Grünen-Chefin Hebein nur 13 Prozent der Wiener als Bürgermeisterin wünschen. Das weist auf ein Problem hin: Hebein, die vor einigen Monaten die Partei nach heftigen internen Querelen von Maria Vassilakou übernahm, ist öffentlich noch kaum bekannt – obwohl sie Vizebürgermeisterin, Verkehrs- und Planungsstadträtin ist. Das muss aber nicht unbedingt ein gravierendes Manko sein. Es ist bekannt, dass Grün-Sympathisanten Themen wichtiger als Personen sind.
Schlecht sieht es für Dominik Nepp aus. Nachdem die unbekannte Nummer drei der Wiener FPÖ die Partei nach dem Ibiza-Abgang von Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus übernehmen musste, befindet sich die Partei in Umfragen im Sturzflug. Derzeit weisen verschiedene Umfragen rund 14 Prozent für die Wiener Freiheitlichen aus – die mageren sieben Prozent für den blauen Spitzenkandidaten bei einer Direktwahl müssten die Alarmglocken bei der FPÖ zusätzlich schrillen lassen. Vor allem, weil fünf Prozent der Wiener Heinz-Christian Strache direkt zum Bürgermeister wählen würden.
Tritt Strache wie anzunehmen mit der FPÖ-Abspaltung DAÖ (Die Allianz für Österreich) an, könnte er knapp den Sprung in den Gemeinderat schaffen. Gleichzeitig würde er damit etwa fünf Prozent der FPÖ-Wähler abziehen, womit Nepp im Herbst in ein Fiasko schlittern könnte – mit einem für seine Partei schlimmstenfalls einstelligen Wahlergebnis für die Wiener FPÖ.
Meinl-Reisinger springt ein
Christoph Wiederkehr von den Wiener Neos kämpft mit demselben Problem wie Hebein – einem geringen Bekanntheitsgrad. Bei einer Bürgermeister-Direktwahl würden ihn nur drei Prozent wählen, während die Neos in Wien laut Umfragen bei zehn Prozent stehen.
Wobei das für Wiederkehr, der umtriebig versucht, seinen Bekanntheitsgrad zu erhöhen, nicht allzu dramatische Auswirkungen haben könnte. Einerseits wählen auch NeosAnhänger ihre Partei hauptsächlich wegen des Programms, andererseits wird bei der Wien-Wahl Wiederkehr ohnehin laufend mit seiner Bundesparteichefin, Beate Meinl-Reisinger, plakatiert werden, die im Nationalratswahlkampf die Rolle der Opposition im Alleingang übernommen hat. Und diese hat ausgeschlossen, einen Quereinsteiger als neue Nummer eins für die Wien-Wahl anzuheuern.
Niemand hat im Wahljahr 2020 so viel zu verlieren wie Wiens Bürgermeister, Michael Ludwig.