Der Staat soll weniger schweigen
Amtsgeheimnis. Die türkis-grüne Regierung könnte die Informationsrechte stärken. Es wäre nicht der erste Anlauf für dieses Projekt. Doch die lang gut geübte Geheimniskrämerei abzuschaffen, dürfte gar nicht so einfach sein.
Das Amtsgeheimnis könnte dem Vernehmen nach von der neuen Regierung gelockert werden. Die grüne Seite hatte dies schon länger gefordert. Es wäre aber nicht der erste Anlauf, die Informationsfreiheit zu stärken. Bereits Anfang 2013 schlug ein junger Staatssekretär dies vor. Sein Name: Sebastian Kurz. Doch warum wurde aus der versprochenen Transparenz bis heute nichts und was bräuchte eine nunmehrige Reform, damit sie erfolgreich ist?
Eigentlich hätten die Bürger ja schon länger umfassende Auskunftsrechte. Es gibt sogar ein eigenes Gesetz dafür. Doch das Hauptproblem ist, dass die Behörden sich nur zu gerne auf Verschwiegenheitspflichten berufen, wenn sie etwas nicht sagen wollen. Berühmt wurde etwa die niederösterreichische Gemeinde Langenzersdorf, die einem Bürger nicht das Vorzugsstimmenergebnis bei einer Wahl verraten wollte, weil dies unter das Amtsgeheimnis falle. Und
Ministerien veröffentlichten von Steuergeld bezahlte Studien auch gerne nur, wenn ihnen das Ergebnis politisch in den Kram passte.
Laut der Verfassung gilt die Verschwiegenheitspflicht von Behörden, wenn es spezielle Gründe dafür gibt. Zum Beispiel, wenn etwas zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, von Ordnung und Sicherheit oder aus Gründen der Landesverteidigung geheim bleiben muss. Passt einem Bürger die Entscheidung der Behörde nicht, kann er vor Gericht gehen und eine Auskunft einfordern. So hielt der Verwaltungsgerichtshof etwa fest, dass das Wirtschaftsministerium nicht alle Eurofighter-Gegengeschäfte geheim halten darf.
Aber die wenigsten Bürger beschreiten den Gerichtsweg. Und selbst Journalisten, denen Ministerien Auskünfte verweigerten, wurden von diesen schon darauf verwiesen, dass sie ja einen Antrag nach dem Auskunftspflichtgesetz stellen könnten. Laut diesem ist die Auskunft zwar „ohne unnötigen Aufschub“, aber spätestens
„binnen acht Wochen nach Einlangen des Auskunftsbegehrens zu erteilen“. Nach dieser Zeit ist ein Thema aber nicht mehr aktuell.
Als Staatssekretär forderte Kurz, dass das Amtsgeheimnis von der Regel zur Ausnahme wird. Als die rot-schwarze Regierung in weiterer Folge an einer Lockerung des Amtsgeheimnisses feilte, war Kurz tatsächlich eine treibende Kraft dahinter. Umgesetzt wurde dann aber schließlich nichts. Auch nicht, als Kurz 2017 Kanzler einer türkisblauen Regierung wurde. Diese gab sich sogar besonders verschwiegen, wenn ihr ein Thema nicht zur eigenen politischen Agenda passte.
Wer sagt, was geheim bleibt?
Einen komplett gläsernen Staat darf man sich von der nunmehrigen Reform auch nicht erwarten. Manches (etwa militärische Geheimnisse) sollte ein Ministerium auch tunlichst für sich behalten. Doch ein neues Gesetz könnte sehr wohl Fortschritte bringen. Und den Behörden verdeutlichen, dass die noch aus der Monarchie stammende Geheimniskrämerei nicht mehr ganz zur Zeit passt. Das Um und Auf wird aber die Frage sein, wer entscheidet, ob eine Auskunft gegeben wird. Momentan kann zwar ein Gericht feststellen, dass eine Auskunft zu Unrecht verweigert wurde. Die Behörde ist aber nicht verpflichtet, im Verfahren alle ihre Akten dem Gericht vorzulegen. Und so weiß nur die Behörde selbst, welche Schätze sie hortet.
Das Problem könnte man mit einem Informationsbeauftragten lösen. Also mit einer von der Behörde unabhängigen Person, die aber das Recht haben muss, in alle Akten der Verwaltung Einsicht zu nehmen. Der Informationsbeauftragte könnte statt der Behörde entscheiden, wann die Bürger eine Auskunft bekommen. Noch bevor man ein Gericht anrufen muss.
Und mit Steuergeld finanzierte Studien könnte man schon kraft Gesetzes für öffentlich erklären. So, wie es Kurz bereits 2013 gefordert hatte. Vielleicht klappt es ja 2020 in der türkis-grünen Koalition.