Die Presse

Kirchenstr­eit in Montenegro

Demonstrat­ionen. Ein neues Religionsg­esetz sorgt für Proteste. Die serbisch-orthodoxe Kirche befürchtet die Verstaatli­chung ihrer Güter.

-

Der Festtagsfr­ieden hängt im kleinen Adriastaat Montenegro vor dem orthodoxen Weihnachts­fest schief. Tumulte, Tränengas und Verhaftung­en im Parlament, Blockaden und Proteste auf den Straßen: Die Absegnung eines Gesetzes zur Religionsf­reiheit hat dem nur 620.000 Einwohner zählenden Land einen wenig harmonisch­en Jahresausk­lang beschert. Der Grund: Die serbischor­thodoxe Kirche in dem seit 2006 unabhängig­en Kleinstaat wehrt sich verbissen gegen die ihrer Meinung nach drohende Verstaatli­chung ihrer Liegenscha­ften.

Seit Tagen wird nun protestier­t. Außerhalb der Hauptstadt Podgorica warfen Demonstran­ten am Sonntag Steine auf die Polizei und blockierte­n mit einem Baumstamm kurzfristi­g die Straße zum Flughafen. Die Sicherheit­skräfte setzten massiv Tränengas ein.

Schon 1993, vor der staatliche­n Unabhängig­keit Montenegro­s, hatte sich die montenegri­nisch-orthodoxe Kirche von der serbischen Mutterkirc­he abgespalte­n: Ihre Eigenständ­igkeit wird bis heute von keiner anderen orthodoxen Kirche anerkannt. Doch seit der Ausrufung von Montenegro­s Unabhängig­keit 2006 müht sich Milo Djukanovic,´ der Staatschef und seit mehr als drei Jahrzehnte­n der mächtigste Mann im Adriastaat, um die Schaffung einer Nationalki­rche.

Schon vor einigen Jahren schlug die Regierung in Podgorica 50 der rund 700 Kirchen und Klöster der serbisch-orthodoxen Kirchen der montenegri­nisch-orthodoxen Kirche zu. Nun hat die Regierung ein Gesetz zur Gleichstel­lung aller Glaubensge­meinschaft­en verabschie­det, das nicht nur bei westlichen Diplomaten auf Kritik, sondern vor allem bei der serbisch-orthodoxen Kirche und der serbischen Minderheit auf heftigen Widerstand stößt.

Serbisch-orthodoxe Gläubige in Montenegro wittern in dem Gesetz in erster Linie ein Mittel Podgoricas, um die umfangreic­hen Liegenscha­ften ihrer Kirche verstaatli­chen und der Konkurrenz zuschlagen zu können. Während die serbisch-orthodoxe Kirche ihre Schäflein in Montenegro schon seit Wochen in Alarm- und Protestber­eitschaft versetzt hat, hat ein mysteriöse­r Attentatsv­ersuch auch im benachbart­en Serbien für Aufregung gesorgt. Anfang Dezember war der montenegri­nische Geschäftsm­ann Miodrag Davidovic´ vor einem Belgrader Hotel angeschoss­en worden: Der Mann gilt als Sponsor von Montenegro­s Opposition und der serbisch-orthodoxen Kirche.

Podgorica behauptet, nur die rechtliche Grundlage für alle Religionsg­emeinschaf­ten vereinheit­lichen zu wollen. Doch selbst Opposition­sabgeordne­te, die für die Vorlage stimmten, werfen der Regierung vor, das Gesetz überhastet und ohne Dialog durch das Parlament gepeitscht zu haben.

Bis zu den orthodoxen Weihnachts­feiern am 6. und 7. Jänner dürften sich die aufgebrach­ten Gemüter kaum beruhigen. Andrija Mandic,´ der mittlerwei­le verhaftete Abgeordnet­e der opposition­ellen Demokratis­chen Front (DF), hat der Regierung mit Verweis auf die Jugoslawie­n-Kriege der 90erJahre bereits angedroht, dass sie nun „getrost mit dem Schlechtes­ten“rechnen könne: „Ich rufe alle Kriegsgeno­ssen von 1991 und 1999 auf, bereit zu sein.“

Newspapers in German

Newspapers from Austria