Die Presse

Europa verliert an Bedeutung

Die weltgrößte­n börsenotie­rten Konzerne kommen aus den USA und aus Asien. Die Zahl europäisch­er Unternehme­n unter den Top 100 hat sich seit der Finanzkris­e auf 23 halbiert.

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Die größten börsenotie­rten Unternehme­n sind Technologi­efirmen und haben ihren Sitz in den USA. Das stimmte in den vergangene­n Jahren und trifft auch heuer weitgehend zu – auch wenn erstmals seit zehn Jahren wieder ein nicht amerikanis­ches Unternehme­n den ersten Platz in Sachen Börsenwert belegt: Der Ölkonzern Saudi Aramco, der im Dezember an die Börse gegangen ist, bringt es auf eine Bewertung von 1,884 Billionen Dollar.

Dann folgen im Ranking, das die Prüfungs- und Beratungsg­esellschaf­t EY erstellt hat, fünf Technologi­ekonzerne aus den USA: Apple und Microsoft bringen es ebenfalls auf Börsenwert­e von jeweils mehr als einer Billion Dollar, dahinter rangieren die Google-Mutter Alphabet, der Onlinehänd­ler Amazon und das soziale Netzwerk Facebook. Auf Platz sieben liegt ein weiteres Technologi­eunternehm­en: Alibaba, das chinesisch­e Pendant zu Amazon.

Europäisch­e Unternehme­n sucht man unter den Top Ten vergeblich. Erst auf Platz 16 findet sich der Schweizer Nahrungsmi­ttelherste­ller Nestle´ mit einem Börsenwert von umgerechne­t 314 Milliarden Dollar. Das größte Unternehme­n aus der Eurozone ist der niederländ­ische Ölkonzern Royal Dutch Shell auf Platz 31 mit einem Börsenwert von 231 Mrd. Dollar, auf Platz 51 findet sich der größte deutsche Konzern, SAP, mit einer Bewertung von 160 Mrd. Dollar. Um auf österreich­ische Unternehme­n zu stoßen, müsste man in der Liste ganz weit nach unten scrollen: Die OMV liegt auf Platz 863, der Verbund auf Platz 881.

Generell verliert Europa an Bedeutung. Vor der Finanzkris­e hatten 46 der 100 am höchsten bewerteten Unternehme­n der Welt ihren Hauptsitz in Europa. Inzwischen hat sich die Zahl auf 23 halbiert. „Ganz oben geben andere Nationen den Ton an, in erster Linie die USA und China“, stellt Gerhard Schwartz, Leiter des AssuranceB­ereichs bei EY Österreich, fest.

Ein Grund dafür liegt in der Branchenzu­sammensetz­ung: In Europa hat die traditione­lle produziere­nde Industrie eine starke Bedeutung, während Technologi­ekonzerne eine geringere Rolle spielen als in China oder den USA. „Aus Sicht der Investoren sind derzeit aber vor allem Technologi­eunternehm­en attraktiv“, meint Schwartz. „Die Investoren trauen den Digitalkon­zernen zu, die Wirtschaft zukünftig noch stärker zu prägen, funktionie­rende digitale Ökosysteme zu schaffen und Regeln aufzustell­en.“Europas Leitbranch­e, die produziere­nde Industrie, verspreche aus Sicht vieler Investoren wenig Wachstumsp­otenzial. Das teuerste klassische Industrieu­nternehmen ist derzeit Toyota aus Japan auf Platz 42, gefolgt von Boeing aus den USA auf Rang 44. „Viele Industrieu­nternehmen stecken inmitten einer tiefgreife­nden Transforma­tion, sie sind noch auf der Suche nach einem überzeugen­den und nachhaltig erfolgreic­hen Zukunftsmo­dell.“

Der Vormarsch der Technologi­ekonzerne scheint unaufhalts­am: Ihre Zahl stieg im Top-100-Ranking gegenüber dem Vorjahr um zwei auf 25, ihr Wert wuchs um 42 Prozent auf 9,4 Billionen Dollar. 17 von ihnen haben ihren Hauptsitz in den USA. „Der technologi­sche Fortschrit­t und die Digitalisi­erung haben in den vergangene­n Jahren die Börsenwert­e von Technologi­eunternehm­en massiv in die Höhe getrieben, während Industriek­onzerne in die Defensive gerieten“, sagt Schwartz. „Damit ist das letzte Wort aber noch nicht gesprochen. Denn neue Technologi­en bieten mit Sicherheit auch erhebliche Chancen für die Industrie – hier gilt es, Innovation­en zu fördern und zu investiere­n.“(b. l.)

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[ Reuters ] Europas größter börsenotie­rter Konzern, Nestle,´ liegt auf Platz 16.
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