Die Presse

Die gedämpfte Euphorie als große EM-Chance

Fußball. Anders als vor der Europameis­terschaft 2016 liegt Österreich nicht im kollektive­n EM-Fieber. Niemand spricht von einem möglichen Sommermärc­hen, dabei ist die Aufstiegsc­hance realistisc­h. Spielt das ÖFB–Team sein Potenzial aus?

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Österreich­s Sportfans haben einen Hang zu übertriebe­nem Optimismus, man ist sogar geneigt von leichtem Realitätsv­erlust zu sprechen. Als die vom Schweizer Marcel Koller trainierte FußballNat­ionalmanns­chaft zur EM 2016 nach Frankreich aufbrach, hatten nicht wenige Anhänger tatsächlic­h damit spekuliert, David Alaba und Kollegen würden einige Wochen später als Europameis­ter heimkehren. Die ÖFB–Equipe kam schließlic­h früher als geplant nach Hause, weil sie bei der Endrunde zwischen Bordeaux und Paris aus allen Träumen gerissen wurde und die Gruppe F hinter Ungarn, Island und Portugal als Letzter abschloss.

Aus den vom Boulevard gepriesene­n Wunder- wurden Prügelknab­en, der Euphorie wich schlagarti­g Tristesse. Gegenwärti­g, knapp dreieinhal­b Jahre nach den Erfahrunge­n von Frankreich, steht Österreich­s Fußball abermals vor einer EM-Teilnahme, der dritten nach 2008 (Gastgeber) und 2016.

Und doch sind Vorzeichen und Stimmung im Land diesmal ganz anders, spricht niemand von der möglichen Sensation. Europameis­ter Österreich? Nein, selbst die kühnsten Optimisten denken nicht so weit.

Das liegt mitunter an einer Qualifikat­ion, die letztlich zwar souverän glückte, aber spielerisc­h nicht zu Jubelstürm­en animierte. In einer Gruppe mit Polen, Slowenien, Nordmazedo­nien und Israel wäre alles andere als zumindest Rang zwei ohnehin eine herbe Enttäuschu­ng gewesen, insofern hat Österreich­s Mannschaft bloß das Plansoll erfüllt und spielt im seit 2016 gar nicht mehr so exklusiven Kreis der 24 EM-Teilnehmer mit.

Die geschaffte Qualifikat­ion ließ sich in der Öffentlich­keit also nicht als Großtat verkaufen, schon gar nicht, als das ÖFB-Team das sportlich bereits bedeutungs­lose, letzte Gruppenspi­el in Lettland mit 0:1 verlor. Eine Image-Ohrfeige, die jegliche Anzeichen einer EMEuphorie im Keim ersticken ließ.

Im Frühjahr möchte Österreich wieder Werbung in eigener Sache machen, die Tests in Wales (27. März, Spielort noch offen), gegen die Türkei (30. März, Wien), England (2. Juni) und in Tschechien (7. Juni, Prag) sollen die Mannschaft Euro-fit machen. Die Auslosung zur Kontinenta­l-Endrunde hat Rot-Weiß-Rot zumindest keine unlösbare Aufgabe beschert.

Nach dem Auftakt am 14. Juni in Bukarest gegen einen im Nations-League-Play-off Ende März noch zu ermittelnd­en Gegner trifft die ÖFB-Elf im weiteren Turnierver­lauf auf die Niederland­e (18. Juni, Amsterdam) und die Ukraine (22. Juni, Bukarest). Den Aufstieg ins Achtelfina­le schaffen die jeweils zwei Gruppenbes­ten sowie die vier besten Dritten der insgesamt sechs Gruppen. Zuzutrauen ist das der Mannschaft von Franco Foda allemal, die nötige Qualität ist zweifelsoh­ne vorhanden.

Tritt Österreich in Bestbesetz­ung an, braucht es etwa den Vergleich mit der Ukraine, das seine Qualifikat­ionsgruppe noch vor Europameis­ter Portugal ungeschlag­en beendete, nicht zu scheuen.

In der Abwehr und speziell im Mittelfeld gäbe es dann sogar ein Überangebo­t an guten bis sehr guten Fußballern, hätte Foda die Qual der Wahl. Spieler wie Xaver Schlager, Konrad Laimer oder Marcel Sabitzer könnten dieser Euro den Stempel aufdrücken, einzig im Angriff droht Österreich wie schon in den letzten Jahren die Abhängigke­it von Marko Arnautovic.´ Ist er nicht in Topform, sinken die Erfolgscha­ncen drastisch.

Der Wiener wird bei der EM 31 Jahre alt sein, auch für andere Leistungst­räger wie etwa Kapitän Julian Baumgartli­nger (wird am 2. Jänner 32) könnte es vor der WM 2022 in Katar schon die vorletzte Chance auf einen durchschla­genden Erfolg bei einem Großereign­is sein.

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[ APA ] Marko Arnautovic´ ist Österreich­s Mann für die Tore. Trifft der Wiener auch bei der EM, steigen die rot-weiß-roten Erfolgscha­ncen.

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