Als zur Jahrtausendwende ein Tiroler geflogen kam
Im Rückspiegel. Als Andreas Widhölzl im Jahr 2000 die Tournee gewann, brachen am Dreikönigstag alle Dämme. „Swider“war wie viele Skispringer sehr schweigsam, aber extrem sprungstark. Jetzt ist er Nachwuchstrainer im Continental-Cup – und schulte Philipp A
Die Zeit vergeht wie im Flug. Es ist zwanzig Jahre her, als sich Andreas Widhölzl mit Siegen in Garmisch-Partenkirchen, Innsbruck – als erster Tiroler –, und Bischofshofen zum Tourneesieger gekrönt hat. Die Emotionen waren aufgeschaukelt, Duelle mit Janne Ahonen (FIN) oder Martin Schmitt (GER) gelten bis heute als echte Klassiker. Unvergessen ist auch, dass am 1. Jänner 2000 RTL eine neue TV-Ära im Skispringen gestartet hatte. Der Zorn der Springer über die elend lange „Millenniumsfeier“war schnell verraucht.
Der stets um Zurückhaltung und Distanz bemühte „Swider“wurde gefeiert; ob er es wollte oder nicht. Im Auslauf der AußerleitnerSchanze gab es am Dreikönigstag 2000 kein Entkommen mehr. Fanmassen hatten das Areal gestürmt, das „Holzgatter“war ohnehin bloß Zierde. Nur mit größter Mühe konnte man diesem Gedränge und der Duftwolke aus Schnaps, Glühwein und Würsteln entkommen.
„Ausschauen tun wir immer noch gleich gut wie damals, oder?“, stellt Widhölzl, 43, fest und lobt seinen mal buschigeren oder dann doch wieder gestutzten Bart sowie ein kleineres „Bäucherl“. Dass zwei Jahrzehnte später alles ganz anders ausschaut, wenn man darauf zurückschaut, weiß er. Ab und wann denke er noch daran, doch es sei schon sehr weit weg.
Der Sport habe sich verändert, die Menschen, das Geschäft verlange viel mehr Drumherum. Glanz und Ruhm verblassen sowieso. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte es getrost zehn Minuten nach der Siegesfeier schon so weit sein können. Seine Ruhe war ihm schon immer heilig. „Und krank war ich damals ja auch noch. 39 Grad Fieber. Nach zwei Schluck Bier war meine Party vorbei . . .“
„Swider“genießt das Leben mit seiner Frau, drei Kindern (21, 19, 15) und dem dreijährigen „Neo“, einem Australian Shepherd, der tüchtig nach täglichen Spaziergängen verlangt und auf dem Mieminger Plateau auch bekommt. „Family-Time“nennt es der Tiroler, der 18 Weltcupsiege landen und Gold bei Winterspielen (2006) oder Weltmeisterschaften (2005) mit der Mannschaft feiern konnte. Seinem Sport ist er nach dem finalen Sprung 2008 immer treu geblieben. Er war drei Jahre lang Trainer in Stams, dann fünf Jahre als Co-Trainer im Nationalteam unterwegs.
Jetzt steht er die zweite Saison als Cheftrainer am Turm, betreut Nachwuchsspringer im Continental-Cup. Mit Philipp Aschenwald, 24, und sensationell Sechster beim Auftakt in Oberstdorf, und Clemens Leitner (21, verpasste die Qualifikation) sind zwei Springer bei der 68. Vierschanzentournee dabei, die durch seine Hände gingen. Der Kreis schließt sich, sagt Widhölzl, immer kämen neue Springer nach. Zwar nicht in Massen, das wäre übertrieben. Dafür talentiert, gut ausgebildet, mit Perspektive. Gern würde er ihnen am Mittwoch (14 Uhr, live ORF1) oder am Bergisel (Samstag, 14 Uhr) an der Schanze die Daumen drücken, da parallel aber ein Bewerb in Titisee-Neustadt ansteht, muss er es aus der Ferne tun. Zudem, beide wüssten, wo es lang gehe und würden auch ohne seine Anwesenheit „sehr guat hupfen“.
Widhölzl ist stolz darauf, jetzt Trainer zu sein. Eigene Ideen einbringen, Systeme entwickeln, Material und Technik prüfen, „zu oft auch Hotels und Reisen buchen“, wirft er ein; all das erfülle ihn.
Dass viele Landsleute ins Ausland abgewandert sind in Ermangelung einer Chance als ÖSV-Cheftrainer, wundert ihn nicht. Der Verlust von Know-how und Philosophien sei jedoch bedauerlich. Für ihn wäre ein Auslandseinsatz ausgeschlossen. „Ich bin Patriot“, sagt er. Zudem wäre er dann noch mehr und weiter von der Familie entfernt.
Die Position des Adler-Cheftrainers wäre „sehr reizvoll“für ihn. Aber erst, „wenn es an der Zeit“wäre, da mache er sich keinen Stress, das werde er nicht forcieren. Manches aber geht ohnehin ganz von selbst. Wer weiß, vielleicht hört Andreas Felder ja mit Saisonende auf, wenn sein Vertrag ausgelaufen ist. Und die Zeit? Sie vergeht wie im Flug.