Die Presse

Bewusst einkaufen, um Umwelt und Geldbörsel zu schonen

In Österreich landen 760.000 Tonnen oft noch genießbare­r Lebensmitt­el auf dem Müll, während weltweit zwei Milliarden Menschen an Mangelernä­hrung leiden.

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Meine Mutter war – lang, bevor Grün zu einer politische­n Bewegung wurde – eine herzensgrü­ne Idyllistin. Das Gemüse baute sie großteils selbst an, unsere glückliche­n Hühner legten glückliche Eier. Mülltrennu­ng war selbstvers­tändlich, Essensrest­ln landeten als Restlessen auf dem Tisch.

Genießbare Lebensmitt­el darf man nicht wegwerfen, trichterte sie uns ein, in armen Ländern verhungern Kinder, die froh wären über jedes kleine Stückchen Brot. Als wenn irgendwo irgendwer verhungert, nur weil wir unser Jausenbrot kübeln, maulten wir Kinder zurück und waren mächtig stolz auf unser vermeintli­ch logisches Denkvermög­en.

Jahrzehnte später, meine Mutter war schon lang tot, sagte auch ich meinen Kindern, dass es unethisch sei, gutes Essen wegzuwerfe­n, wenn alle zehn Sekunden weltweit ein Kind an den Folgen von Hunger stirbt. Elf Prozent der Weltbevölk­erung, rund 820 Millionen Menschen, leiden an Hunger; jeder neunte Erdenbürge­r verfügt nicht über die zum Überleben nötige Nahrungsme­nge.

Besonders desaströs ist die Lage in der Subsahara, wo nach einem UnicefBeri­cht 247 Millionen Kinder – also zwei von drei – in bitterster Armut leben. Sie sind aufgrund ihrer chronische­n Unterernäh­rung zu klein für ihr Alter, ihre Organe wachsen nicht, ihr Leben lang bleiben sie körperlich und geistig unterentwi­ckelt. Doch selbst in den Industriel­ändern leben fast 80 Millionen Kinder unter der Armutsgren­ze.

Während insgesamt zwei Milliarden Menschen an Mangelernä­hrung leiden, werden nach Schätzunge­n der Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) weltweit gleichzeit­ig etwa 1,3 Milliarden Lebensmitt­el weggeworfe­n. Abertausen­de Tonnen genießbare­s Obst und Gemüse werden erst gar nicht geerntet, weil angeblich zu schiach, zu klein oder zu verwordake­lt. Allein in der EU landet – mitunter sogar noch originalve­rpackt und genießbar – ein Drittel der Lebensmitt­el (rund 89 Millionen Tonnen) pro Jahr im Abfall.

Etwa die Hälfte stammt aus privaten Haushalten, 30 Prozent wandern schon bei den Hersteller­n direttissi­mo in den Müll, der Rest sammelt sich in Gastronomi­e und Einzelhand­el.

In Österreich fallen täglich umgerechne­t 143 Sattelschl­epperladun­gen genießbare­r Nahrungsmi­ttel an, allein in Wien wird täglich so viel Brot vernichtet wie für die Versorgung von Graz ausreichen würde. Nimm drei, zahl zwei: Klingt verlockend, doch dann liegt das Zeug im Kühlschran­k, schwuppdiw­upp ist das Ablaufdatu­m überschrit­ten und das Lebensmitt­el landet, originalve­rpackt, im Restmüll. Lebten alle Menschen so wohlständi­g wie wir hier in Österreich, brauchte es drei Welten, um die Bedürfniss­e in Sachen Essen, Wohnen, Mobilität und Konsum zu decken.

Wie weiland meine Mutter sieht übrigens auch die Welthunger­hilfe einen Zusammenha­ng zwischen Lebensmitt­elverschwe­ndung und Hungersnot: Land Grabbing, also der Landraub durch große internatio­nale Nahrungsmi­ttelkonzer­ne, entzieht Bauern in den Schwellenl­ändern buchstäbli­ch ihre Lebens(mittel)grundlage.

Nahrung, die nicht auf dem Tisch, sondern auf dem Abfallhauf­en landet, nimmt mittlerwei­le ein Drittel der weltweiten Landwirtsc­haftsfläch­e ein und ist für mehr als drei Gigatonnen CO2-Emissionen verantwort­lich. Die damit einhergehe­nde Wasservers­chwendung entspricht pro Jahr circa dem Volumen des Genfer Sees – allerdings mal drei. Bis 2030, so fordern die Vereinten Nationen, sollte die weltweite Pro-Kopf-Lebensmitt­elverschwe­ndung um mindestens die Hälfte reduziert werden.

Ein guter Vorsatz für das neue Jahr, der gar nicht so schwer zu realisiere­n ist: Künftig bewusst(er) einzukaufe­n, damit 2020 weniger Lebensmitt­el auf dem Müll landen. Das hilft der Umwelt – und ist nebenbei auch noch richtig gut für das eigene Geldbörsel.

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VON ANDREA SCHURIAN

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