Die Presse

Leitartike­l von Hanna Kordik: Wieso uns der Postenscha­cher erhalten bleibt

Wir werden im kommenden Jahr die Causa Glücksspie­l aufarbeite­n. Das ändert aber nichts daran, dass Postenscha­cher politische Normalität ist.

- E-Mails an: hanna.kordik@diepresse.com VON HANNA KORDIK

Was bringt das Jahr 2020 Neues? Nicht nur Türkis-Grün, sondern auch einen Untersuchu­ngsausschu­ss. Wobei sich trefflich darüber streiten ließe, ob ein Untersuchu­ngsausschu­ss, der mittlerwei­le quasi zur österreich­ischen Folklore gehört, eine gar so große Neuigkeit ist. Egal. Im kommenden Jahr sollen jedenfalls die Ereignisse rund um die reichlich seltsame Postenbese­tzung in der teilstaatl­ichen Casinos Austria von einem solchen Untersuchu­ngsausschu­ss durchleuch­tet werden. Und das ist auch gut so: Immer noch stehen Mutmaßunge­n mit strafrecht­lichen Implikatio­nen im Raum. Es kann uns Steuerzahl­ern also nur recht sein, wenn sich die Nebel lichten.

Doch damit kommen wir auch gleich zu den Schönheits­fehlern, mit denen besagter Untersuchu­ngsausschu­ss behaftet ist. Warum dort beispielsw­eise nur die Zeit ab Beginn der türkis-blauen Regierung in Augenschei­n genommen werden soll, hat noch keiner der Befürworte­r auch nur annähernd schlüssig erläutern können. Als hätte es das Thema Postenscha­cher nicht schon vor dem Dezember 2017 gegeben. Die befremdlic­h hohe Millionena­bfindung des ehemaligen (roten) Casinos-Vorstands Dietmar Hoscher hätte sich durchaus auch eine Aufklärung verdient.

Aber lassen wir das. In den vergangene­n Monaten hat es genug peinliche Fingerzeig­e dieser Art gegeben. Motto: „Ihr werft uns Postenscha­cher vor? Als ihr an der Macht wart, habt ihr es genauso gemacht!“Das bringt uns nicht weiter. Allenfalls in der Erkenntnis, dass jede Partei, die es in die Regierung schafft, dem Postenscha­cher nicht abgeneigt ist.

Besonders schön, weil aufschluss­reich, las sich das in einem Interview mit dem ehemaligen FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, das diese Zeitung im August führen durfte. Da wurde Strache selbstvers­tändlich auch zum Postenscha­cher in der Casinos Austria gefragt. Jener Strache, der als Opposition­spolitiker auch mit seiner lautstark vorgetrage­nen Postenscha­cher-Empörung immer mehr Wähler hinter sich scharte. Im Interview sah der ExVizekanz­ler das alles natürlich ganz anders: Ein FPÖler im Vorstand des Glücksspie­lkonzerns sei wichtig gewesen, erklärte er blauäugig, um dort eine Person des Vertrauens sitzen zu haben. Als nachgefrag­t wurde, warum das so wichtig sei, war Strache außer sich: „Sie versuchen jetzt, eine Normalität in der Politik infrage zu stellen“, empörte er sich über die fragenden Journalist­en.

Normalität in der Politik? Wirklich?

Strache hat recht. In staatsnahe­n Betrieben ist die Besetzung hoch dotierter Posten mit politische­n Vertrauens­personen tatsächlic­h zur Normalität geworden. Mag eh sein, dass Peter Sidlo als Finanzvors­tand die Casinos Austria nicht an die Wand gefahren hätte. Wird eh so sein, dass die niederöste­rreichisch­e ÖVP-Landesräti­n, Petra Bohuslav, als kaufmännis­che Geschäftsf­ührerin die Staatsoper nicht in den Ruin führen wird. Aber müssen wir uns mit dem „Eh“begnügen? Muss die Parteizuge­hörigkeit immer noch an erster Stelle jener Liste stehen, die Qualifikat­ionen für einen Job im Staatsbere­ich aufzählt?

Natürlich nicht. Aber es ist so. Und das wird sich auch 2020 nicht ändern: Die Regierungs­parteien – auch die Grünen – werden wortreich argumentie­ren, wieso sie Personen ihres Vertrauens in Aufsichtsr­äten und Vorständen brauchen. Rot und Blau werden sich darüber alterieren – bis dann irgendwann wieder sie an der Macht sind.

So weit der Ausblick für das Jahr 2020. Er ist bedauerlic­herweise nicht gerade euphorisch geworden. Ausgenomme­n für jene, die jetzt das richtige Parteibuch haben.

Doch die Postenscha­cherprogno­se soll keineswegs die Sinnhaftig­keit des eingangs erwähnten Untersuchu­ngsausschu­sses infrage stellen: In der Causa Glücksspie­l ist es gut und wichtig, den mutmaßlich strafrecht­lichen Aspekten auf den Grund zu gehen. Schon aus hygienisch­en Gründen.

Aber zu viel machtpolit­ische Konsequenz­en sollte man sich halt nicht erwarten. Peter Sidlo ist nicht die Wurzel des Problems. Und er wird auch nicht deren Lösung sein.

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