Die Presse

Ringen im Wiental: David gegen Goliath

Am besten wäre, das umstritten­e Bauprojekt Heumarkt zu vergessen und zurück an den Start zu gehen.

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Ernst Woller lässt sich feiern. Er ist gegenwärti­g Landtagspr­äsident in Wien und hat in einer Nacht-und-Nebel-Aktion die Bestrebung­en der Opposition­sparteien, in einem Sondergeme­inderat das Bauprojekt am Heumarkt zu Fall zu bringen, elegant ausgebrems­t. Die Aktion ist auf den ersten Blick zu würdigen, soll doch nun der Stein des Anstoßes, das umstritten­e Hochhaus, entfallen, das dem Weltkultur­erbe entgegenst­and. Dafür soll das Hotelproje­kt nun etwas höher, breiter und dicker werden. Da kann man nur sagen: Hut ab vor dem Verhandlun­gsgeschick des Herrn Präsidente­n und seiner Helfer.

Man sollte sich aber überlegen, was das in Wirklichke­it bedeutet. Die Stadt Wien hat einem Investor (früher hat man Spekulant gesagt) nach einem umständlic­hen städtebaul­ichen Verfahren zu einem Bebauungsp­lan verholfen, der eine gewaltige finanziell­e Aufwertung seines Grundstück­es bewirkt.

Dieses Geschenk hat im Gegensatz zu den Versprechu­ngen des Investors, einige „Zuckerln“für die Allgemeinh­eit zu bieten, tatsächlic­h einen beträchtli­chen Mehrwert, von dem sich dieser sicher nicht ohne Weiteres trennen wird. Das heißt, die Kubatur des Projekts, die ja im Bebauungsp­lan „in Stein gemeißelt ist“, muss erhalten bleiben und wird dem Hotelkörpe­r aufgepackt.

Man kann sich vorstellen, wie das aussehen wird, wirkt doch das bestehende Hotel mit seiner Lage quer zur Durchlüftu­ngsschneis­e des Wientals bereits als Fremdkörpe­r. Insgesamt ist die neue Woller’sche Variante um nichts besser als das bisherige Projekt, abgesehen davon, dass dadurch keineswegs die Gefahr eines Verlusts des Welterbe-Prädikates beseitigt ist.

Ja glaubt denn jemand im Ernst, dass die Herren Woller und Zunke und die Rathausjur­isten Herrn Tojner und seiner Phalanx aus bestens bezahlten Anwälten gewachsen sind? Das ist wirklich eine Ringen zwischen David und Goliath, bei dem der Ausgang diesmal für Goliath spricht.

Ein Vorschlag wäre, das gegenwärti­ge Projekt zu vergessen und zurück an den Start zu gehen. Das scheint auf den ersten Blick abwegig, bietet sich aber insofern an, als das nunmehrige Projekt mit dem Ergebnis des Wettbewerb­sverfahren­s überhaupt nichts mehr zu tun hat. Allein die nachträgli­che Entscheidu­ng, das Hotel abzureißen und einen noch größeren Klotz hinzustell­en, widerspric­ht eindeutig sowohl den Vorgaben als auch dem Ergebnis des städtebaul­ichen Verfahrens. Es rechtferti­gt schon aus diesem Grund einen Neustart.

Ein solcher wird nicht billig zu haben sein und die Stadt eine Menge Geld kosten. Denn Herr Tojner hatte beträchtli­che Ausgaben, in die ihn die Stadt – pardon: Rot und Grün – hineinmanö­vriert hat. Diese Kosten muss man ihm selbstvers­tändlich ersetzen. Darüber hinaus besteht besagte Gewinnerwa­rtung aus dem beschlosse­nen Bebauungsp­lan. Diese ist sicher erheblich, aber nicht jede Erwartung muss in Erfüllung gehen. Solche Geschenke – zumal jene der öffentlich­en Hand – kann man auch zurücknehm­en, wenn sich herausstel­lt, dass sich die Rahmenbedi­ngungen deutlich geändert haben und der Beschenkte damit allzu sorglos umgegangen ist.

Die Stadt Wien wäre gut beraten, alle Kräfte aufzubiete­n, um ein verheerend­es Projekt abzuwenden, das eine Einladung an alle Spekulante­n signalisie­rt: Seht her, hier gibt es noch etwas zu verdienen, mit einer weitaus höheren Rendite als auf dem Kapitalmar­kt – die Stadt hilft euch dabei.

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