Maßnahmen: Was darf der Staat?
Zwangsmaßnahmen. Wenn es hart auf hart geht, können auch in Österreich Ortschaften und Grenzen abgeriegelt werden. Ebenso dürfen Bürger in Quarantäne genommen werden. Doch es gibt einen Rechtsschutz gegen alle Maßnahmen. Und ein Verdienstentgang wird eben
Wie weit gehen die staatlichen Möglichkeiten, wenn es mit der Bekämpfung des Coronavirus ernst wird? Und welche Rechte haben dann die Bürger? Ein Überblick.
1 Abgesperrte Orte und Schulen: Wäre das, was in Italien passiert, auch in Österreich möglich?
Grundsätzlich ja. Das Epidemiegesetz, das seine Wurzeln im Jahr 1913 hat, sieht weitreichende Rechte des Staats vor. Gebäude dürfen zwangsweise geräumt, Betriebe und Schulen geschlossen werden. Die Einreise aus dem Ausland kann untersagt werden. Auch einzelne Ortschaften dürfen abgesperrt werden. Und Bürger können in Quarantäne genommen werden.
2 Kann Österreich bei seinen Maßnahmen so rigoros wie China vorgehen?
Nein, denn auch wenn das Gesetz aus Monarchiezeiten stammt, wurde es inzwischen teilweise modernisiert (insbesondere im
Jahr 2016). Und zwischen China und Österreich gibt es große Unterschiede. Bei den Maßnahmen hierzulande müsse immer die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben, sagt Karl Stöger, Professor für öffentliches Recht an der Uni Graz, zur „Presse“. Der Staat darf also zu drastischen Mitteln erst greifen, wenn gelindere Maßnahmen nicht mehr helfen. Und der einzelne Bürger kann sich hierzulande auch gerichtlich recht gut gegen die staatlichen Rechtsakte zur Wehr setzen.
3 Was kann man als Bürger machen, wenn einem der staatliche Zwang nicht passt?
Wird ein Bürger zwangsweise in Quarantäne genommen oder anders in seiner Freiheit beschränkt, geht der Fall automatisch an das Bezirksgericht. Dieses muss von Amts wegen überprüfen, ob diese Maßnahme nötig ist. Alle drei Monate ist diese Prüfung neu vorzunehmen.
Betrifft eine Maßnahme eine größere Gruppe von Personen – etwa Grenzschließungen oder das Absperren ganzer Ortschaften –, so würde dies per Verordnung geschehen. Diesfalls könnte man sich als Betroffener direkt an den Verfassungsgerichtshof wenden. Er müsste prüfen, ob die Verordnung verhältnismäßig ist.
4 Wer entscheidet, wann der Ernstfall eintritt und welche Maßnahmen verhängt werden?
Grundsätzlich ist dafür die jeweilige Bezirksverwaltungsbehörde zuständig. Sie ist gegenüber dem Landeshauptmann weisungsgebunden, der aber wiederum auf die Anweisungen des Gesundheitsministers hören muss. Geht es um Maßnahmen, die das ganze Bundesgebiet betreffen, könnte der Gesundheitsminister auch direkt eine Verordnung erlassen, laut der die Grenzen zu schließen sind. Die (dem Innenministerium unterstehende) Polizei würde dann helfen, diese Maßnahme umzusetzen.
Im Epidemiegesetz sind mehrere Krankheiten (wie etwa Sars) ausdrücklich genannt. Per Verordnung hat Gesundheitsminister Rudolf Anschober klargestellt, dass eine Erkrankung durch das aktuelle Coronavirus jedenfalls unter das Gesetz fällt.
5 Was droht, wenn man sich den staatlichen Zwangsmaßnahmen widersetzt?
Wer trotz Verbots aus einem abgesperrtem Gebiet oder der Quarantäne flüchtet, muss mit verwaltungsstrafrechtlichen Konsequenzen rechnen. Flüchtet jemand in die Freiheit, obwohl er tatsächlich Träger einer gefährlichen Krankheit ist, drohen sogar strafrechtliche Folgen (bis zu drei Jahre Haft). Und der Staat hat das Recht, eine Person zwangsweise wieder an den Ort der Quarantäne zurückzubringen, erklärt Stöger.
6 Und wer bezahlt den Schaden, der durch die Zwangsmaßnahmen entsteht?
Ist ein Arbeitnehmer tatsächlich erkrankt, greift ohnedies der normale sozialversicherungsrechtliche Schutz. Musste man nur vorsichtshalber in Quarantäne, erhält man trotzdem seinen Lohn. Der Arbeitgeber bekommt das Geld dafür aber vom Staat refundiert. Auch für geschlossene Unternehmen oder in Quarantäne genommene Selbstständige gibt es einen finanziellen Ausgleich.