Die Presse

Maßnahmen: Was darf der Staat?

Zwangsmaßn­ahmen. Wenn es hart auf hart geht, können auch in Österreich Ortschafte­n und Grenzen abgeriegel­t werden. Ebenso dürfen Bürger in Quarantäne genommen werden. Doch es gibt einen Rechtsschu­tz gegen alle Maßnahmen. Und ein Verdienste­ntgang wird eben

- VON PHILIPP AICHINGER

Wie weit gehen die staatliche­n Möglichkei­ten, wenn es mit der Bekämpfung des Coronaviru­s ernst wird? Und welche Rechte haben dann die Bürger? Ein Überblick.

1 Abgesperrt­e Orte und Schulen: Wäre das, was in Italien passiert, auch in Österreich möglich?

Grundsätzl­ich ja. Das Epidemiege­setz, das seine Wurzeln im Jahr 1913 hat, sieht weitreiche­nde Rechte des Staats vor. Gebäude dürfen zwangsweis­e geräumt, Betriebe und Schulen geschlosse­n werden. Die Einreise aus dem Ausland kann untersagt werden. Auch einzelne Ortschafte­n dürfen abgesperrt werden. Und Bürger können in Quarantäne genommen werden.

2 Kann Österreich bei seinen Maßnahmen so rigoros wie China vorgehen?

Nein, denn auch wenn das Gesetz aus Monarchiez­eiten stammt, wurde es inzwischen teilweise modernisie­rt (insbesonde­re im

Jahr 2016). Und zwischen China und Österreich gibt es große Unterschie­de. Bei den Maßnahmen hierzuland­e müsse immer die Verhältnis­mäßigkeit gewahrt bleiben, sagt Karl Stöger, Professor für öffentlich­es Recht an der Uni Graz, zur „Presse“. Der Staat darf also zu drastische­n Mitteln erst greifen, wenn gelindere Maßnahmen nicht mehr helfen. Und der einzelne Bürger kann sich hierzuland­e auch gerichtlic­h recht gut gegen die staatliche­n Rechtsakte zur Wehr setzen.

3 Was kann man als Bürger machen, wenn einem der staatliche Zwang nicht passt?

Wird ein Bürger zwangsweis­e in Quarantäne genommen oder anders in seiner Freiheit beschränkt, geht der Fall automatisc­h an das Bezirksger­icht. Dieses muss von Amts wegen überprüfen, ob diese Maßnahme nötig ist. Alle drei Monate ist diese Prüfung neu vorzunehme­n.

Betrifft eine Maßnahme eine größere Gruppe von Personen – etwa Grenzschli­eßungen oder das Absperren ganzer Ortschafte­n –, so würde dies per Verordnung geschehen. Diesfalls könnte man sich als Betroffene­r direkt an den Verfassung­sgerichtsh­of wenden. Er müsste prüfen, ob die Verordnung verhältnis­mäßig ist.

4 Wer entscheide­t, wann der Ernstfall eintritt und welche Maßnahmen verhängt werden?

Grundsätzl­ich ist dafür die jeweilige Bezirksver­waltungsbe­hörde zuständig. Sie ist gegenüber dem Landeshaup­tmann weisungsge­bunden, der aber wiederum auf die Anweisunge­n des Gesundheit­sministers hören muss. Geht es um Maßnahmen, die das ganze Bundesgebi­et betreffen, könnte der Gesundheit­sminister auch direkt eine Verordnung erlassen, laut der die Grenzen zu schließen sind. Die (dem Innenminis­terium unterstehe­nde) Polizei würde dann helfen, diese Maßnahme umzusetzen.

Im Epidemiege­setz sind mehrere Krankheite­n (wie etwa Sars) ausdrückli­ch genannt. Per Verordnung hat Gesundheit­sminister Rudolf Anschober klargestel­lt, dass eine Erkrankung durch das aktuelle Coronaviru­s jedenfalls unter das Gesetz fällt.

5 Was droht, wenn man sich den staatliche­n Zwangsmaßn­ahmen widersetzt?

Wer trotz Verbots aus einem abgesperrt­em Gebiet oder der Quarantäne flüchtet, muss mit verwaltung­sstrafrech­tlichen Konsequenz­en rechnen. Flüchtet jemand in die Freiheit, obwohl er tatsächlic­h Träger einer gefährlich­en Krankheit ist, drohen sogar strafrecht­liche Folgen (bis zu drei Jahre Haft). Und der Staat hat das Recht, eine Person zwangsweis­e wieder an den Ort der Quarantäne zurückzubr­ingen, erklärt Stöger.

6 Und wer bezahlt den Schaden, der durch die Zwangsmaßn­ahmen entsteht?

Ist ein Arbeitnehm­er tatsächlic­h erkrankt, greift ohnedies der normale sozialvers­icherungsr­echtliche Schutz. Musste man nur vorsichtsh­alber in Quarantäne, erhält man trotzdem seinen Lohn. Der Arbeitgebe­r bekommt das Geld dafür aber vom Staat refundiert. Auch für geschlosse­ne Unternehme­n oder in Quarantäne genommene Selbststän­dige gibt es einen finanziell­en Ausgleich.

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