Forderung nach Konjunkturpaketen
Konjunktur. Chinas Präsident versetzte mit seiner Einschätzung zu den Auswirkungen des Virus den Börsen einen Dämpfer. Nun werden Stimmen für fiskal- und geldpolitische Maßnahmen laut.
Nachdem es Ende Jänner rund um das chinesische Neujahr bereits einen kurzen Rücksetzer gegeben hatte, ignorierten die weltweiten Börsen den bisherigen Februar hindurch das Coronavirus. Egal, wie stark die Zahl der Infizierten auch stieg, die Finanzmärkte ließen sich in ihrer Aufwärtsbewegung nicht beirren. Am Ende des Monats wurde dieser Trend jedoch gebrochen. Nach negativen Vorgaben aus Asien erlitten auch die Börsen in Europa und den USA einen deutlichen Dämpfer. In Frankfurt und Wien setzte es ein Minus von rund vier Prozent. In New York lagen die Kurse in den ersten Stunden nach Handelsbeginn mit etwa zweieinhalb Prozent im Minus.
Der Kursrückgang ist noch alles andere als dramatisch – so wurden ungefähr die Gewinne der vergangenen zwei Wochen zunichtegemacht. Er zeigt allerdings, dass die Finanzmärkte aufgrund der aktuellen Entwicklungen hellhörig geworden sind und es zumindest für möglich halten, dass die Auswirkungen des Virus doch größer sind als bisher erwartet – und in den Kursen eingepreist. Situation „ernst und komplex“
Konkreter Auslöser für den aktuellen Rücksetzer war der chinesische Präsident, Xi Jinping. Dieser äußerte sich am Sonntagabend in einer Telefonkonferenz mit mehr als 170.000 teilnehmenden Funktionären der chinesischen KP über den aktuellen Stand der Dinge. Und dabei zeigte er sich wesentlich pessimistischer, als es mitunter erwartet worden ist. So sei die Epidemiesituation immer noch „ernst und komplex“, so Xi. Und die Krankheit werde „unweigerlich relativ große Auswirkungen auf die Wirtschaft und die Gesellschaft haben“. Allerdings sollten diese nur kurzfristig und kontrollierbar sein.
Laut Schätzungen könnte das chinesische Wirtschaftswachstum im ersten Quartal des Jahres auf drei Prozent oder sogar noch niedriger fallen. Ende 2019 lag das Wachstum noch bei sechs Prozent – und schon dieser Wert war so niedrig wie seit fast 30 Jahren nicht mehr. Denn nach wie vor ist die chinesische Wirtschaft durch den Handelskrieg mit den USA geschwächt. Das Coronavirus kommt insofern zu einem denkbar ungünstigen Moment für die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt.
So sind laut Aussagen des chinesischen Industrieministeriums weiterhin nur 30 Prozent aller kleinen und mittleren Unternehmen im Land wieder aktiv. Der Rest habe nach der staatlich verordneten Zwangspause rund um das chinesische Neujahr die Produktion noch nicht wieder hochgefahren. Grund dafür ist einerseits, dass sich die Firmen in Gebieten befinden, die abgeriegelt sind. Oder die Einschränkungen bei Verkehr und Transport sorgen dafür, dass es an Arbeitern oder Rohstoffen fehlt.
Der IWF geht in einer aktuellen Analyse zwar davon aus, dass sich die Situation im zweiten Quartal wieder normalisiert und die Weltwirtschaft in Summe lediglich um 0,1 Prozent Wachstum geringer werde. Allerdings könnten die Auswirkungen bei einer weiteren Verschlechterung der Situation – etwa einer Verschärfung der Lage in anderen Ländern – auch wesentlich drastischer sein und die Erholung der Weltwirtschaft nach ihrem konjunkturellen Tief zum Jahreswechsel gefährden. Negative Wirkung auf Italien
Das bereitet zunehmend auch den Notenbankern Sorgen. So erklärte beispielsweise der italienische Zentralbank-Chef, Ignazio Visco, gegenüber der Nachrichtenagentur Bloomberg: „Ich bin bereits besorgt. Aber wenn wir keine deutliche Verbesserung der konjunkturellen Lage bis September haben, dann bin ich sehr besorgt.“Sein Heimatland, das zu den am stärksten von dem Virus betroffenen Ländern gehört, könnte Wachstumseinbußen von bis zu einem Viertelprozentpunkt hinnehmen müssen, so Visco weiter. Das dürfte auch in Österreich zu spüren sein, schließlich gehört Italien nach wie vor zu den wichtigsten Handelspartnern.
Sollte es keine schnelle V-förmige Erholung geben, brauche es weltweit koordinierte Maßnahmen. Da die geldpolitischen Möglichkeiten jedoch bereits weitgehend ausgeschöpft seien, sollten es vor allem Maßnahmen fiskalpolitischer Natur sein – also Konjunkturpakete. Unterstützung erhält der italienische EZB-Vertreter dabei von seinem französischen Pendant Villeroy de Galhau.
Dennoch steigen auf dem Markt die Erwartungen, dass auch die EZB neuerlich reagieren könnte, sollte das Coronavirus einen stärkeren Einfluss auf die Wirtschaft haben. So lässt sich aus den aktuellen Kurswetten auf eine weitere Senkung des Einlagenzinssatzes von minus 0,5 auf minus 0,6 Prozent herauslesen, dass diese bereits mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent erwartet wird. In der Vorwoche lag dieser Wert noch bei etwa einem Drittel.