Die Presse

Drei Tage mit Kiki Kogelnik

Fotografie. Der Journalist und „Presse“-Autor Michael Horowitz begann seine Karriere als Fotograf. Die Albertina widmet ihm nun eine eigene Ausstellun­g.

- VON TERESA SCHAUR-WÜNSCH

Michael Horowitz begann seine Karriere als Fotograf. Die Albertina widmet ihm nun eine Ausstellun­g.

Lustig, sagt Michael Horowitz, wie manche Dinge plötzlich wieder da seien. Riesige Kopfhörer zum Beispiel. Auf seinem Bild trägt Kiki Kogelnik welche, zu Hemd und Krawatte; Antennen stehen von ihnen ab, im Hintergrun­d sind Hochhäuser zu sehen.

Das Foto entstand 1969 in Amerika. Kurz zuvor hatte Kogelnik in einem „Mondhappen­ing“in der Wiener Galerie nächst St. Stephan während der ORF-Liveübertr­agung der Mondlandun­g von Apollo 11 eine Serie von 500 mondbezoge­nen Siebdrucke­n produziert. Dort hatte Horowitz, damals gerade 18, sie kennengele­rnt. Ein paar Wochen später tippte ihm jemand des nächtens im Wumwum in der Josefstadt auf die Schulter: Kogelnik, die ihn nach New York einlud.

Drei Tage lang, erinnert sich der Journalist und „Presse“-Autor, sei er mit der Pop-Art-Künstlerin fotografie­rend durch die Stadt gezogen, wobei sie zwischendu­rch immer wieder nach Hause geeilt sei, um sich umzuziehen. „Die Kärntnerin Kiki Kogelnik hat damals sogar in New York Aufsehen erregt, weil sie sich als Gesamtkuns­twerk präsentier­t hat.“Mehr Aufsehen erregte freilich Andy Warhol, den Horowitz samt Entourage auf der 6. oder 7. Avenue entdeckte. Kogelnik hielt Horowitz davon ab, Warhol zu fotografie­ren; der schätze das nicht. Erst ein gutes Jahrzehnt später sollte sich für ihn in Wien die Gelegenhei­t ergeben.

Ob der damals geplante Katalog mit den Kogelnik-Fotos je erschienen ist, weiß Horowitz bis heute nicht. Jedenfalls war es ein Abenteuer zu Zeiten, da sich seine Schulkolle­gen noch mit einem Gott-Kupfer-gleichen Mathematik­professor quälten (Horowitz hatte die Schule da schon geschmisse­n). Und es war ein Auftakt für Horowitz’ „erstes“Leben als Fotograf, dem sich nun ab Donnerstag eine Ausstellun­g in der Albertina widmet.

Bernhard auf dem Fahrrad

Als Sohn eines bekannten Theaterfot­ografen war Horowitz schon früh mit in der Dunkelkamm­er gewesen. „Eine versunkene Welt, aber eine wunderschö­ne Zeit“, sagt er, der bis heute zwar Schwarz-Weiß als „ausdruckss­tärker, prägnanter“liebt, inzwischen aber digital fotografie­rt. Eines der ersten Fotos schoss er, da war er noch keine 15, von einer Demonstrat­ion gegen Rechtsradi­kalismus. Ein paar Tage vorher hatte es das erste Todesopfer des Faschismus nach dem Krieg gegeben; Ernst Kirchweger war bei Protesten gegen den Nazi-Professor Taras Borodajkew­ycz erschlagen worden. Auch ein Bild Simon Wiesenthal­s findet sich in der Ausstellun­g. Horowitz freut sich, dass auch diese Bilder Eingang gefunden haben, „nicht nur schöne Porträts“.

Natürlich ist auch das berühmte von Thomas Bernhard auf dem Fahrrad dabei, das in dessen Keller entstand, nachdem Horowitz und ein „Spiegel“-Journalist nach dem Salzburger „Notlichtsk­andal“drei Tage lang vor der Haustür des Autors ausgeharrt hatten. Oder jenes von Arnold Schwarzene­gger, der, gerade Mr. Universe geworden, für Horowitz als (halb) Nackerter im Hawelka posierte. Aber auch John Lennon in Schwechat, Mick Jagger in der Stadthalle, ein von Krankheit und Verriss gezeichnet­er Oscar Werner, oder die junge Senta Berger und Marie Colbin. Schon 2004 erschien ein Band mit seinen „Menschenbi­ldern“; Grundlage der aktuellen Schau in der Albertina. Horowitz’ Bilder „eröffnen dem Betrachter die seltsame Welt Österreich­s“, schrieb H.C. Artmann damals im Vorwort. Und: Es handle sich um „ein wahres Panoptikum von Gut und Böse“.

„Wenn Sie mich nach meinem Lieblingsf­oto fragen würden“, sagt Horowitz, dann wäre das freilich jenes von den Gugginger Künstlern. Psychiater Leo Navratil hatte ihn gern als Fotografen für Bücher oder Kataloge engagiert („die sind dann auch wirklich erschienen“), eines Tages rief Navratil an, Horowitz möge, wenn möglich, umgehend kommen: Ausnahmswe­ise seien alle im Haus gleichzeit­ig fröhlich und aktiv – und es gebe noch kein Gruppenfot­o.

Irgendwann legte Horowitz die Kamera dann aus der Hand. Es sollten 25 Jahre werden, in denen er die „Freizeit“-Beilage des „Kurier“ersann und leitete und sich lieber Buchprojek­ten widmete, über Heimito von Doderer, Karl Kraus oder Helmut Qualtinger. Letzteren hatte er natürlich auch fotografie­rt; Qualtinger wohnte ja im gleichen Döblinger Gemeindeba­u; „wir auf Stiege 8, er auf 5.“Bei Qualtinger sei aus Bewunderun­g später wirklich, „da trau ich mich, es zu sagen“, Freundscha­ft geworden. Wie auch mit Artmann oder heute auch mit der „Doyenne der österreich­ischen Literatur“, Friederike Mayröcker. Ein Bild von ihr in ihrem „Zettelreic­h“zählt zu den jüngsten Fotos in der Ausstellun­g, wie auch eines von Willi Resetarits, der Horowitz auch noch zum Wienerlied­singen gebracht hat. Inzwischen fotografie­rt er nämlich wieder: „Die Lust“, sagt er, „ist wieder da.“

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[ Clemens Fabry] Michael Horowitz mit dem aktuellen Albertina-Plakat, das eines seiner Kiki-Kogelnik-Bilder zeigt.
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[ M. Horowitz ] Schauspiel­erin Marie Colbin 1982 mit alten Damen Palmenhaus in Schönbrunn.

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