Die Presse

SJ fordert neue Spitze für SPÖ

Interview. Die SJ sei gegen den Verbleib von Rendi-Wagner an der SPÖ-Spitze, sagt deren neuer Chef, Paul Stich. Er will den Kapitalism­us überwinden – und Vermögenst­euern von 80 Prozent.

- VON OLIVER PINK

Die Sozialisti­sche Jugend sei gegen den Verbleib von Rendi-Wagner an der SPÖ-Spitze, sagt deren neuer Chef, Paul Stich, im Gespräch mit der „Presse“.

Die Presse: Werden Sie bei der Mitglieder­befragung der SPÖ für oder gegen den Verbleib von Pamela Rendi-Wagner an der Parteispit­ze stimmen?

Paul Stich: Grundsätzl­ich braucht es eine inhaltlich­e und strukturel­le Neuaufstel­lung der SPÖ. Die Themen liegen ja mittlerwei­le auf der Straße: Die Gewerkscha­ft kämpft für eine längst fällige Arbeitszei­tverkürzun­g auf 35 Stunden, die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auf. Und wir schaffen es nicht, dass wir in die Offensive gehen. Wir müssen wieder die bestimmend­e Kraft werden. Und wir haben das Gefühl, dass das in der aktuellen Situation nicht unbedingt möglich ist.

Mit Rendi-Wagner nicht?

Es geht um die Gesamtneua­ufstellung der Partei, das ist nicht an einer Person festzumach­en. Die Schuld allein bei ihr zu suchen ist sicher eine falsche Analyse.

Aber werden Sie jetzt für oder gegen Rendi-Wagner stimmen?

Die aktuelle Parteiführ­ung ist sicher in der Verantwort­ung, die entspreche­nden Prozesse einzuleite­n. Dieses Gefühl haben wir derzeit nicht. Wir werden daher Pamela Rendi-Wagner nicht unterstütz­en können in dieser Vertrauens­frage.

„Wir“heißt die gesamte SJ Österreich­s?

Die Sozialisti­sche Jugend hat darüber beraten und diskutiert und diese Entscheidu­ng gefällt.

Wer wäre denn die Alternativ­e an der Parteispit­ze?

Das ist keine Entscheidu­ng, die ich allein zu treffen habe. Wir fordern ja schon seit Längerem eine Direktwahl an der Spitze der SPÖ.

Das wollte Rendi-Wagner eigentlich auch.

Grundsätzl­ich glaube ich ja, dass dieser gesamte Demokratis­ierungspro­zess eine Art Scheindeba­tte ist, wenn es ein Votum gibt, das dann nicht bindend ist. Wir sind sicher kein Feigenblat­t in einem Scheinproz­ess. Wir wollen einen Wettbewerb der Ideen, damit alle Mitglieder die Ausrichtun­g der Partei mitbestimm­en können.

In Deutschlan­d hält sich der Juso-Chef, Kevin Kühnert, dank der Direktwahl eine Parteispit­ze. Das dürfte Ihnen gefallen.

Es geht weniger um Positionen. Sondern für uns als Sozialisti­sche Jugend geht es darum, junge Menschen wieder für die Politik zu begeistern.

Könnten Sie mit einem wie dem derzeitige­n burgenländ­ischen Landeshaup­tmann, Hans Peter Doskozil, an der Spitze der SPÖ leben?

Es geht weniger um Personen.

Aber hinter Doskozil steht ja auch ein Konzept: Sozialpoli­tisch links, sicherheit­s- und migrations­politisch rechts. Können Sie da mit?

Ich halte wenig davon, Kurse auf einzelne Personen zuzuschnei­den. Aber die Sozialdemo­kratie hat im Burgenland gewonnen, weil es ihr gelungen ist, die wichtigen sozialpoli­tischen Themen wieder zu den bestimmend­en zu machen. Mindestloh­n, Gratiskind­ergarten, das burgenländ­ische Pflegemode­ll.

Beim restriktiv­en Kurs in der Migrations­politik können Sie mit?

Es braucht einen sehr harten Kurs der Sozialdemo­kratie in der sogenannte­n Migrations­politik: nämlich konsequent und bedingungs­los auf der Seite der arbeitende­n Menschen zu stehen. Die große Grenze in unserer Gesellscha­ft verläuft nicht zwischen Personen mit österreich­ischem, kroatische­m oder deutschem Pass, sondern sie verläuft zwischen oben und unten. Es liegt an uns, dieses Thema wieder auf das Tapet zu bringen.

Ihre Vorgängeri­n Julia Herr hat in ihrem Antrittsin­terview in der „Presse“die Frage, ob sie Venezuela als Vorbild sehe, bejaht. Wie sehen Sie das?

Ich glaube, dass wir uns kein kommunisti­sches Skandalgsc­hichterl hineindrüc­ken lassen sollten. Aber das dahinterst­ehende Thema der Umverteilu­ng, der fairen Ressourcen­verteilung muss man auf jeden Fall diskutiere­n. Wir wollen eine Vermögenst­euer von 80 Prozent ab Vermögen von zwei Milliarden Euro, eine Erbschafts­steuer, die sogar auf 100 Prozent hinaufgeht für Milliarden­erben. Das Vermögen, das sich derzeit in den Händen der reichsten fünf Prozent befindet, gehört umverteilt. Wir wollen auch ein Recht auf staatlich finanziert­en Wohnraum ab dem 18. Geburtstag.

Muss ein Vorsitzend­er der Sozialisti­schen Jugend eigentlich zwangsläuf­ig immer utopischli­nks sein oder könnte er auch einmal pragmatisc­h-sozialdemo­kratisch sein?

Es geht darum, dass wir unsere Version einer sozialisti­schen Gesellscha­ft herunterbr­echen auf die großen Fragen unserer Zeit. Wir wollen den Diskurs anstoßen, den Diskurs verschiebe­n. Und da ist es notwendig, sich manchmal mit durchaus radikalen Forderunge­n Gehör zu verschaffe­n.

Das Ziel ist also eine sozialisti­sche Gesellscha­ft?

Das ist das Ziel.

Und das sieht wie aus?

Eine Gesellscha­ft, in der alle frei und demokratis­ch leben können. In der die Produktion­smittel, die großen Unternehme­n bzw. der Wohlstand sich nicht in den Händen einiger weniger befindet, wie das aktuell der Fall ist, sondern dass alle von diesem Wohlstand profitiere­n können.

Soll das kapitalist­ische Wirtschaft­ssystem dann abgeschaff­t oder abgemilder­t werden?

Es soll am Ende eines langen Prozessen überwunden werden.

Vor einem Jahr hat die SJ in Wiener Neustadt Lenins Geburtstag gefeiert. Wie fanden Sie das?

Wir als Sozialisti­sche Jugend stehen für eine offene und demokratis­che Gesellscha­ft. Ich halte sehr wenig von Personenku­lt. Ich finde auch, dass es wichtig ist, einen kritischen Zugang zu historisch­en Ereignisse­n zu haben.

Haben Sie Vorbilder?

Unter anderem Otto Bauer und Johanna Dohnal.

Sie sind jetzt SJ-Chef. Sebastian Kurz hat als JVP-Chef begonnen und dann eine steile Karriere hingelegt. Lässt sich da etwas lernen?

Es geht weniger um Positionen. Es geht darum, junge Menschen zu politisier­en, auf die Ungleichhe­it in unserer Gesellscha­ft aufmerksam zu machen.

 ?? [ Mirjam Reither ] ?? Am Sonntag mit 87 Prozent zum neuen SJ-Chef gewählt: Paul Stich (22). Im Gespräch mit „Presse“Innenpolit­ik-Chef Oliver Pink.
[ Mirjam Reither ] Am Sonntag mit 87 Prozent zum neuen SJ-Chef gewählt: Paul Stich (22). Im Gespräch mit „Presse“Innenpolit­ik-Chef Oliver Pink.

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