Warum Häftlinge versichert werden
Krankenkasse. Die medizinische Betreuung von Strafgefangenen kostet derzeit 94 Mio. Euro. Das ginge über die Krankenkassen billiger – würde aber zu höheren Kosten für die Länder führen.
Die FPÖ wittert einen Skandal: „Über 50 Prozent der Häftlinge in Österreichs Gefängnissen sind Ausländer. Die freut es sicher, wenn die heimischen Steuerzahler ihre Gebiss-Sanierung finanzieren“, postete der Linzer Stadtrat Michael Raml und bebilderte das mit einem Bild eines dunkelhäutigen Manns mit Goldzähnen. Anlass für die Aufregung, die Raml eine Anzeige wegen Verhetzung eingebracht hat, ist der Plan der Regierung, Häftlinge in das System der Sozialversicherung aufzunehmen. Doch ganz so abwegig ist der Plan auch für die FPÖ nicht: Die Freiheitlichen forderten vor vier Jahren genau dies selbst in einem Gesetzesantrag.
Worum geht es? Häftlinge sind derzeit nicht sozialversichert, für die gesundheitliche Versorgung kommt der Staat auf. Und das kostet: 94 Millionen wurden 2018 dafür ausgegeben, Tendenz stark steigend (siehe Grafik). Der Staat zahlt dabei sowohl Ärzten als auch Spitälern die Tarife, die für Privatpatienten fällig werden. Dass dies geändert wird, forderte der Rechnungshof schon in den Jahren 2012 und 2014. Und auch die türkis-blaue Regierung arbeitete schon an einem Versicherungsmodell für Häftlinge. Nicht kostendeckend?
Die Krankenkassen sind mit diesem Ansinnen nicht ganz glücklich. Sie fürchten, dass sie letztlich auf den Kosten sitzen bleiben. Und dafür haben sie gute Gründe: Schon jetzt versichert die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) drei Patientengruppen, die keine eigenen Beiträge zahlen, zwei davon nicht kostendeckend: Für die Arbeitslosen gibt es vom AMS einen Pauschalbetrag von 374 Millionen Euro pro Jahr. Das ergab im Vorjahr einen Beitrag von 1174 Euro pro Versichertem – das ist weniger als die Hälfte der (kostendeckenden) durchschnittlichen Beitragseinnahmen von 2258 Euro. Auch für Asylwerber werden vom Staat nur 86 Euro im Monat überwiesen, auch das ist nicht kostendeckend. Lediglich für Mindestsicherungsbezieher überweist der Bund die tatsächlich angefallenen Kosten.
Genau diese Lösung wünscht sich die ÖGK jetzt auch für die Häftlinge. „Ich verstehe natürlich, dass der Staat die Betreuung der Häftlinge kostengünstiger abwickeln will“, sagt Andreas Huss, Arbeitnehmer-Obmann in der ÖGK. Das könne aber nicht auf Kosten der Versicherten gehen. Und es seien auch noch offene Fragen zu klären. Beispielsweise, ob dann auch Angehörige von Häftlingen mitversichert sind. Und für Huss ist auch nicht ausgemacht, dass die Versicherung über die ÖGK läuft: Das könne genauso gut eine der beiden anderen Kassen, die der Beamten oder der Selbstständigen machen.
Ein gewichtiges Wort werden aber auch die Länder mitreden müssen. Denn mehr als die Hälfte der Kosten, nämlich 55 Millionen Euro, entfällt auf die Behandlung von Häftlingen in Spitälern, und da wiederum der überwiegende Teil davon (43 Millionen Euro) auf die Unterbringung von psychisch Kranken in geschlossenen psychiatrischen Anstalten. Länder zur Kasse gebeten
Auch dafür würden dann die Kassen teilweise aufkommen, sie zahlen einen Pauschalbetrag von 45 Prozent der Spitalskosten an die Krankenanstalten. Den Rest müssten aber die Spitalserhalter bezahlen, und das sind in der Regel die Bundesländer. Die dafür doppelt zur Kasse gebeten werden, denn sie würden ja auch die bisher üppigen Honorare für die Kassenpatienten verlieren. Die Einsparungen beim Bund würden damit zu einem guten Teil zulasten anderer öffentlicher Institutionen gehen.
Ein verhältnismäßig geringer Anteil der Kosten, nämlich 5,5 Millionen Euro, bezieht sich derzeit übrigens auf Besuche bei niedergelassenen Ärzten, wobei darunter auch die von der FPÖ angesprochenen Zahnarztbesuche fallen. Für „Zahnersatz und sonstige Heilbehelfe“gab die Justiz im Jahr 2018 rund 200.000 Euro aus.
Rund 33 Millionen Euro wendet die Justiz derzeit für die medizinische Betreuung in den Gefängnissen auf. Die Kosten setzen sich da zusammen aus bei der Justiz angestellten Ärzten und Pflegepersonal (12,6 Mio. Euro), zugekauftem medizinischen Personal, also Ärzte, die ins Gefängnis kommen (13 Mio.) und den Kosten für Medikamente (acht Mio.). Das könnte künftig zum Teil die Sozialversicherung übernehmen.