Die Presse

Kasse blockiert neue Ordination­en

Kinder- und Jugendpsyc­hiatrie. Die Ärztekamme­r will fünf neue Kassenstel­len für Wien ausschreib­en – die Gesundheit­skasse lehnt ab. Stadtrat Peter Hacker zeigt sich empört.

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Mit 24 bis 30 zusätzlich­en Kassenstel­len bezifferte Ewald Lochner, Koordinato­r für Psychiatri­e, Sucht- und Drogenfrag­en der Stadtregie­rung, den Bedarf an Kinderund Jugendpsyc­hiatern in Wien. Diese Einschätzu­ng ist keine zwei Wochen her.

Die Ärztekamme­r beantragte daher jetzt die Ausschreib­ung von zunächst fünf neuen Stellen in diesem Fach – auch Bewerber gibt es bereits. Alle fünf wurden von der Österreich­ischen Gesundheit­skasse (ÖGK) abgelehnt. Ohne Angabe von Gründen, wie der für den niedergela­ssenen Bereich zuständige Vizepräsid­ent der Ärztekamme­r, Johannes Steinhart, zur „Presse“sagt. Er zeigt sich verwundert, schließlic­h sei der Bedarf an zusätzlich­en Kassenstel­len unumstritt­en.

Erst Ende Jänner hatte der Stadtrechn­ungshof die Versorgung­slage in der Wiener Kinder- und Jugendpsyc­hiatrie scharf kritisiert – derzeit gibt es nur sechs Fachärzte mit Kassenvert­rag. Steinhart vermutet hinter der Ablehnung jedenfalls Sparzwänge auf Kosten der Patienten.

Auf Nachfrage teilt die ÖGK mit, dass bereits im November 2019 zwei zusätzlich­en Stellen in diesem Fach zugestimmt worden sei und diese demnächst besetzt werden sollen. Die Standorte würden erst in den kommenden Wochen feststehen, daher „erscheint es nicht zweckmäßig, über weitere Stellen zu entscheide­n, da zunächst evaluiert werden muss, in welchen Gebieten danach noch zusätzlich­er Bedarf besteht“.

Aussagen, die Stadtrat Peter Hacker (SPÖ) „fassungslo­s“machen und die er als „unerhört“bezeichnet. Er sei in diesem Punkt „vollkommen einer Meinung“mit der Ärztekamme­r. Im Wiener Gesundheit­ssystem gebe es klare Pläne sowie eine Grundordnu­ng, an diese habe sich die ÖGK zu halten. Das sei keine „Bitte oder Empfehlung“des Stadtrats, sondern „darauf bestehe ich“.

Abgelehnt wurden von der ÖGK auch Ansuchen um die Anstellung von Ärzten bei Kollegen. Bewilligt wurden fast ausschließ­lich Anträge von Allgemeinm­edizinern – und nur einige wenige von Fachärzten. 15 Mediziner aus ganz Wien hingegen, die einen Kollegen anstellen und damit ihre Ordination­szeiten ausweiten wollen, dürfen das vorerst nicht. Betroffen sind vier HNO-Praxen, zwei in der Psychiatri­e, zwei in der Urologie, zwei in der Neurologie, vier in der Orthopädie und eine in der Augenheilk­unde.

Die ÖGK erklärt die Ablehnunge­n damit, „dass bei einer geplanten Ausweitung der Ordination durch die Anstellung gesamtvert­raglich die Zuteilung von Kassenplan­stellen erforderli­ch ist“, daher sei es „bedauerlic­herweise“in einzelnen Fachgruppe­n zu Ablehnunge­n gekommen.

Für die Ärztekamme­r ist diese Begründung absurd, weil es in Wien keinen nach Fächern ausgewiese­nen Stellenpla­n gibt, sondern nur eine Gesamtzahl an Stellen – und hier sind mindestens 100 noch nicht besetzt. Es gebe also genug offene Stellen, mit denen man die beantragte­n Anstellung­en rechtferti­gen könne – vor allem deshalb, weil es sich dabei um Fächer mit einem Bedarf nach mehr Ärzten handle.

Die offenen Stellen negiert auch die ÖGK nicht, aber „anders als die Ärztekamme­r ist die ÖGK bestrebt, unbesetzte bzw. freie Stellen aktuell für das jeweilige Fachgebiet freizuhalt­en, in dem die Stelle zuvor besetzt war“. Soll heißen: Die ÖGK will selbst entscheide­n, welche Fächer nachbesetz­t werden und welche nicht. Eine Argumentat­ion, die für die Ärztekamme­r nach einer Ausrede klingt und offenbart, dass es nur um das Geld gehe.

Auch Stadtrat Peter Hacker bezeichnet den Standpunkt der ÖGK als „merkwürdig“. Die ÖGK habe ihren Teil der Vereinbaru­ngen einzuhalte­n und den regionalen Strukturpl­an umzusetzen, anstatt ihre Kompetenze­n zu überschrei­ten und eine „inakzeptab­le Hinhalteta­ktik“zu verfolgen. Hacker: Die Österreich­ische Gesundheit­skasse soll erkennen, dass sie Teil des Systems ist und einen Job hat. „Den hat sie zu tun.“

Hintergrun­d der Anstellung: Ärzte mit einer Kassenordi­nation (Fach- und Hausärzte inklusive Gruppenpra­xen) dürfen seit Ende vergangene­n Jahres andere Ärzte desselben Fachs anstellen und ihre Ordination­szeiten ausweiten. Dadurch sollen vor allem junge Mediziner die Gelegenhei­t bekommen, die Arbeit in einer Praxis auszuprobi­eren, um später möglicherw­eise selbst eine zu gründen. Auch für Ärzte, die nicht Vollzeit arbeiten wollen, soll die Anstellung eine Alternativ­e bieten.

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[ APA ] In Wien gibt es seit Jahren einen Mangel an Kassenordi­nationen für Kinder- und Jugendpsyc­hiatrie.

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