Die Presse

Wilde Musik, leider nur lauwarm interpreti­ert

Konzerthau­s. Das Steude-Quartett spielte Kod´aly, Jan´aˇcek, einen frühen Webern und Brahms.

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Wie könnt’s, wie sollt’s nach dem Fin de Si`ecle weitergehe­n? Diese Frage zog sich durchs Programm des Steude-Quartetts. Relativ harmlos der Einstieg mit Zoltan´ Kodalys´ 2. Streichqua­rtett (1918), in dem der innovative Ungar die Signale zusammense­tzte, die er quasi per Radar empfangen hatte – letzte Grüße vom Impression­ismus, Prisen von Pentatonik bis Ganztonska­len. Dazwischen als Kitt ungarische Folklore. Dort wäre viel zu finden, doch Volkhard Steude und seine philharmon­ischen Kollegen begnügten sich mit einem verbindlic­hen Rhapsodien-Ton. Die zentrale Botschaft gehörte Leosˇ Jana´cek:ˇ

In seinem ersten Streichqua­rtett, „Kreutzerso­nate“(1923), treibt der mährische Gigant die Musik durch Aufschreie der Freude und des Schreckens an den Abgrund, auch durch die Virtuositä­t seiner Sprechmelo­dien. Die Musik folgt deren aggressive­m Jargon: kreisende Wiederholu­ngen kleinster Phrasen in dauernden Varianten und Färbungen. Nichts als glühende Töne. Die Steudes bemühten sich um die Wildheit des Ausdrucks, um das Rabiate der Emotionen – doch ihr bürgerlich­es Sicherheit­sdenken war offenbar stärker, das Unbedingte blieb ein Fremdwort.

Lauwarm ging’s nach der Pause weiter – mit einem Missgriff: Weberns „Langsamer Satz“(1905), nicht grundlos ohne Opuszahl, weil ein juveniles, tollpatsch­iges Manuskript aus der Zeit, bevor er bei Schönberg in die Lehre ging. Noch kein genialer Webern.

Dramaturgi­sch weitergeda­cht hätte das Finale zu einem Zentralwer­k der Wiener Schule oder zu Bartok´ führen müssen. Stattdesse­n philharmon­isch bestens abgesicher­tes Terrain: Brahms’ c-moll-Quartett, op. 51/1. Kollektive­s Denken und Empfinden von Orchesterm­usikern garantiert allemal spieltechn­ischen Standard. Doch auch bei Streichqua­rtetten gibt’s eine Klassenges­ellschaft. Im Mozartsaal kommt übers Jahr die Weltelite vorbei: Die Belceas und E´be`ne spielen in der Champions League, das Steude-Quartett in der Regionalli­ga Wien-Mitte.

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