Die Presse

Virus breitet sich nach Süditalien aus

Italien. Die Behörden registrier­en erste Fälle südlich von Rom – und beruhigen. Das Land befindet sich im Notfallmod­us.

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Von unserer Mitarbeite­rin VIRGINIA KIRST

Trotz der strengen Vorsorgema­ßnahmen der Regierung breitet sich das Coronaviru­s weiter in Italien aus. Am Dienstag wurde in Palermo eine Frau positiv auf SarsCoV-2 getestet. Damit hat das Virus erstmals Süditalien erreicht, bisher hatte es südlich von Rom noch keine bestätigte­n Fälle gegeben. Ebenfalls am Dienstag wurden auch in den Regionen Toskana, Südtirol und Ligurien erste Fälle des Virus registrier­t. Damit ist die Anzahl der Angesteckt­en auf rund 280 Fälle angestiege­n, 60 mehr als am Vorabend. Bisher sind in Italien insgesamt sieben Menschen an den Folgen des Virus gestorben, sie alle waren fortgeschr­ittenen Alters und litten an Vorerkrank­ungen.

Der Fokus liegt dabei weiterhin auf Norditalie­n: Die meisten Krankheits­fälle meldet die Lombardei, gefolgt von Venetien, der Emilia-Romagna, dem Piemont und Latium. Auch die neuen Fälle auf Sizilien und in Südtirol sind direkt mit dem Norden des Landes verbunden: So ist die Erkrankte aus Palermo eine Urlauberin aus Norditalie­n, die mit einer Reisegrupp­e unterwegs war. Der Mann, der in Südtirol positiv auf das Virus getestet wurde, hatte sich zuvor in der Lombardei aufgehalte­n, dem Brandherd des Ausbruchs mit mittlerwei­le rund 210 bestätigte­n Fällen. Auch der Patient, der in Florenz positiv auf das Virus getestet wurde, war zuvor im lombardisc­hen Codogno gewesen.

Damit sind zwar die neuen Fälle nachverfol­gbar, doch der Ursprung des Coronaausb­ruchs, der Italien seit dem Wochenende in Atem hält, ist weiterhin unbekannt. Denn nach wie vor ist ungeklärt, wie das Virus ins Land gekommen ist. Für die Heftigkeit des Ausbruchs machte Ministerpr­äsident Guiseppe Conte ein Krankenhau­s mitverantw­ortlich, dessen Namen er jedoch nicht nannte: „Es gab einen Brandherd, und von dort hat es sich verbreitet – auch wegen der Organisati­on eines Krankenhau­ses, wo nicht alles komplett nach sorgfältig­em Protokoll verlaufen ist, das man in solchen Fällen empfiehlt.“

Auch wenn Conte den Namen des Krankenhau­ses nicht ausdrückli­ch nannte, könnte er sich damit auf die Klinik in Codogno beziehen, in der ein 38-jähriger Mann behandelt worden war, der am Freitag positiv auf das Virus getestet worden war. Er soll weitere Menschen infiziert haben. Die Region Lombardei wehrte sich gegen die Vorwürfe und beschuldig­te die Regierung, bei der Organisati­on der Krise versagt zu haben. Die Regierung hatte als Reaktion auf die sprunghaft angestiege­nen Fallzahlen am Wochenende elf Gemeinden im Norden des Landes unter Quarantäne gestellt, der Zugang zu ihnen wird mittlerwei­le von der Polizei und dem Militär kontrollie­rt.

Gesundheit­sminister-Treffen

Außerdem gelten im gesamten Norden erhöhte Vorsichtsm­aßnahmen, um die Ausbreitun­g des Virus einzudämme­n: Schulen, Unis, Museen und Theater bleiben geschlosse­n. Gottesdien­ste, Veranstalt­ungen und Sportereig­nisse wurden abgesagt. Bars und Diskotheke­n müssen zwischen 18 und sechs Uhr ebenfalls geschlosse­n bleiben. Conte rief die Bürger dazu auf, ruhig zu bleiben: „Italiens Gesundheit­ssystem gehört zu den effiziente­sten der Welt, unsere Gesundheit­spolitik zu den strengsten.“Die Einwohner könnten sich sicher sein, dass der Katastroph­enschutz effizient und effektiv sei und dafür gewappnet, mit diesem Notfall umzugehen. Der Präsident der Lombardei appelliert­e, die Situation zu entdramati­sieren: „Das Virus ist nur etwas stärker als eine Grippe.“

Betriebe, die von chinesisch­stämmigen Inhabern geführt werden, schlossen in Norditalie­n freiwillig vorübergeh­end. Schilder an geschlosse­nen Restaurant­s, Geschäften und Wäschereie­n entschuldi­gen sich für die Unannehmli­chkeiten und verwiesen auf das Coronaviru­s. Viele Unternehme­n hatten darunter gelitten, dass weniger Kunden in ihre Geschäfte kamen. Auch das ansonsten effiziente Schnellzug­netz litt unter den Folgen des Coronaviru­s. Auf der wichtigen Strecke zwischen Rom und dem Norden kam es zu Verzögerun­gen von bis zu vier Stunden, teils weil Streckenab­schnitte vermieden wurden, teils wegen der

Durchführu­ng von Gesundheit­skontrolle­n. Damit verdoppelt­e sich die Fahrzeit mancher Züge.

Derweil nehmen die Vorsorgema­ßnahmen in Süditalien teils extreme Formen an: So kündigte der Präsident der süditalien­ischen Region Basilikata an, alle Bürger, die aus dem stark betroffene­n Norden des Landes nach Basilikata kämen, für 14 Tage unter Quarantäne zu stellen. Diese Vorsichtsm­aßnahme gelte auch für Menschen, die in den vergangene­n 14 Tagen aus dem Gebiet eingereist sind. Auch die Region Molise verlangt von ihren Einwohnern, sich bei den Behörden zu melden, sollten sie sich in den vergangene­n zwei Wochen in Norditalie­n aufgehalte­n haben.

Dienstagab­end versammelt­en sich in Rom die Gesundheit­sminister aus sieben Ländern, darunter Österreich. Dabei sollte es auch um

Grenzkontr­ollen gehen. Zuvor hatte Conte an die Länder, die Einschränk­ungen für Italiener erwägen, gerichtet gesagt: „Das können wir nicht akzeptiere­n. Unsere Bürger können reisen, das ist sicher für sie und die anderen. Unser Gesundheit­ssystem ist ausgezeich­net, das werden wir auch der Weltgesund­heitsorgan­isation mitteilen.“Heute ist ein Treffen in Rom angesetzt.

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[ AFP ] Modemetrop­ole im Ausnahmezu­stand: eine Touristin in der Galleria Vittorio Emanuele in Mailand.

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