Roadtrip durch Amerika
Kunsthaus Wien. Der USFotokünstler ist einer der Stars des Genres. Die erste Österreich-Retrospektive zeigt die intimen Fotoserien aus dem ländlichen Amerika.
US-Fotokünstler Alec Soth ist einer der Stars des Genres. Die erste Österreich-Retrospektive im Kunsthaus Wien zeigt die intimen Fotoserien aus dem ländlichen Amerika.
Gibt es so etwas wie Stars unter zeitgenössischen Fotokünstlern, dann ist einer davon Alec Soth. Das hat sich sogar bis nach Wien herumgesprochen, die „Lecture“, die der US-amerikanische Magnum-Fotograf heute, Donnerstag, anlässlich seiner Retrospektive im Kunsthaus Wien gibt, musste aufgrund des Andrangs sogar verlegt werden (und zwar in den Vortragssaal des MAK).
Was ist es, das die poetisch-melancholische Bildwelt des in Minnesota geborenen und lebenden Fünfzigjährigen so unwiderstehlich macht? Dass ihm auf Instagram fast 200.000 Leute folgen? Dass seine Fotobücher über das US-Landleben teils vergriffen sind, etwa „Broken Manual“von 2010, zu dem ihn die eigene Midlife-Crisis angeregt hat? Damals begann er Männer zu (be)suchen, die sich tatsächlich für ein anderes Leben entschieden haben, eremitische Aussteiger, deren Höhlenhäuser oder Privatsymbolik er liebevoll mit der Großbildkamera fixierte. Auch wenn sie sich wie einer, der für Soth nackt in einem Tümpel stehend posiert, ein Hakenkreuz auf den Oberarm tätowieren ließen. Ungewöhnlich innige Porträts
Die Empathie und Ernsthaftigkeit, die Soth ausstrahlt, haben ihm auf seinen Roadtrips durch Amerika, die er in große, assoziative Bilderzählungen gießt, außergewöhnlich intime Porträts ermöglicht. Bei seiner Erforschung des von Liebe und Verlust geprägten Niagarafälle-Mythos etwa, während der er ein üppiges, sehr inniges Paar nackt fotografieren durfte. Oder für sein erstes erfolgreiches Fotobuch „Sleeping by the Mississippi“(2004) zwei ebenfalls ineinander verschränkte Frauen, Mutter und Tochter (Abb.), die er in einem Bordell in Iowa kennenlernte, in dem er einfach anklopfte, um zu sehen, wie so etwas denn aussehe. Erzählte er am Mittwoch bei einer Presseführung mit Kuratorin Verena Kaspar-Eisert.
Der Zufall spielt bei diesen Bilderreisen natürlich eine Rolle. Aber nicht nur, Soth folgt dabei auch seinen Reisen im Kopf, die bei ihm im Halbschlaf entstehen. Reisen zum einsamen Holzhaus, in dem Johnny Cash aufgewachsen ist. Oder zum wackelig wirkenden Kinderbett von Pilotenlegende
Charles Lindbergh. Er mache eben keine „straight photography“mit objektivem Anspruch, erklärt Soth, sondern „dream-photography“. Einerseits seinen eigenen Träumen folgend, vom Fliegen, vom Leben an Flüssen etc. Andererseits den Träumen der Leute, die er nach diesen befragt. Eine ausgesprochen nette Strategie. Die erklärt, warum alle so entspannt wirken.
Oder sich küssen. Sein Frühwerk, das er unter den Hosenbeinen versteckt als Fotolaborassistent aus der Dunkelkammer schummelte, zeigte schon den Weg: Auf seinen Streifzügen durch die Nacht folgte er damals, ganz romantisch-pubertär noch, seinem Wunsch, dass „eine Fremde sich in mich verliebt“. Es entstanden schwarz-weiße
Schnappschüsse von Liebespaaren. Eine seiner jüngsten Serien greift diese SchwarzWeiß-Ästhetik, aber auch die Spontaneität wieder auf, die er auch aus seiner Anfangszeit als Fotoreporter für Lokalzeitungen kannte: Für „Songbook“hielt er 2012 bis 2014, also in der Vor-Trump-Zeit, in sieben Bundesstaaten eine seltsam nostalgische Stimmung fest. Man kann nicht sagen, aus welcher Zeit diese Fotos kommen, die Cheerleaderin, der Dinner-Tänzer, der Schönheitswettbewerb. Alles ein amerikanischer Traum oder eher Albtraum, der nie zu enden scheint.