Chaos-Tag an Wiener Schule .................
Coronavirus. Eine Lehrerin wird nach einer Italienreise zum Verdachtsfall, kurz darauf wird ein Wiener Gymnasium abgeriegelt, ohne Eltern zu informieren. Ein vorschneller Beschluss?
Großeinsatz der Polizei, Gerüchte über Evakuierungen in Medien, besorgte Eltern, die vor Absperrungen warten und über SMS stückchenweise Informationen ihrer Kindern erhielten: Über das, was am Mittwoch im Wiener Gymnasium Albertgasse vor sich ging. Die Schule in der Josefstadt wurde am Vormittag abgeriegelt, nachdem der Verdacht auf einen Coronavirus-Fall aufkam.
Eine Lehrerin der Schule in der Josefstadt habe sich bei einem Aufenthalt in Norditalien möglicherweise mit dem Virus infiziert, hieß es. Am frühen Nachmittag kam dann die Entwarnung: Der Verdachtsfall bestätigte sich nicht. Kurz vor 14 Uhr verließen die ersten Schüler das Gebäude.
Zwischen der ersten Meldung des Verdachtsfalls und der Entwarnung lagen nicht einmal vier Stunden. Es waren dennoch Stunden der Unsicherheit und des Chaos, das sich um die Schule breit machte. Gegen 10.45 rückte die Polizei an, um den gesamten Straßenblock – die Albertgasse zwischen Josefstädter Straße und Pfeilgasse – mit zahlreichen Beamten und Einsatzfahrzeugen der Polizei abgeriegelt. Keiner durfte mehr hinein oder hinaus – wie lange, wusste man zunächst nicht. Man warte auf die Entscheidung der Gesundheitsbehörde, die einige Mitarbeiter in das Gebäude geschickt hatte, sagte eine Sprecherin der Polizei. Bloß die Bewohner der Straße und Eltern der Kinder im schräg gegenüberliegenden Kindergarten durften durch die Absperrung. Die Schüler würden von Lehrern über die Situation aufgeklärt, Was genau in der Schule passierte, und ob der Unterricht weitergeführt wurde, war nicht klar.
„Bin in Panik“
Das beklagten auch Eltern, die sich vor der Absperrung in der Albertgasse versammelt hatten. Dass die Schule abgesperrt werde, habe sie lediglich über SMS von ihrer elfjährigen Tochter erfahren, sagte Halime Jakupaj. Sie vermisste offizielle Informationen. „Ich bin in Panik, um ehrlich zu sein.“
Aus der Wiener Bildungsdirektion hieß es auf Nachfrage der „Presse“, dass die
Schule begonnen habe, die Eltern aktiv anzurufen und zu informieren. Das war allerdings erst zu Mittag. Fast zwei Stunden nach Beginn der Sperre.
Viele Eltern hatten zu dem Zeitpunkt schon längst von ihren Kindern von dem Vorfall erfahren. Andere lasen vermutlich die Berichte in mehreren Onlinemedien über eine Evakuierung der Schule. Nicht wenige machten sich Sorgen. Eine Mutter erzählte der „Presse“, sie sei hergekommen, da sie einer ihrer Söhne, die beide an der Schule sind, angerufen habe. „Ich will, dass meine Kinder wissen, dass ich da bin“, sagte sie. Im Grunde vertraue sie auf das österreichische Gesundheitssystem. „Aber natürlich macht man sich seine Gedanken“.
Auch eine Großmutter stand an der Absperrung, um ihren 12-jährigen Enkel abzuholen. Das sei nun nicht möglich,
Martin Netzer Generalsekretär im Bildungsministerium Ich war erstaunt, wie lange man für Lösungsvorschläge gebraucht hat.
sie warte bereits seit einer dreiviertel Stunde. „Ich mache mir keine Sorgen um Corona“, sagte Ilse Dick, „sondern darüber, dass die Kinder Angst haben“.
Eine von Panik getriebene, vorschnelle Entscheidung ortete auch der Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ). Es könne nicht sein, dass „panikhaft“Polizisten losgeschickt werden, um eine Schule zu sperren, kritisierte er. Solche Entscheide dürften nur auf Basis von Testergebnissen fallen. Auch Bundeskanzler Kurz gab am Mittwochvormittag vor dem Ministerrat bekannt: Erst wenn sich der Fall der Lehrerin bestätige, werde vollends abgeriegelt. Zu dem Zeitpunkt waren die Polizisten aber schon dabei, die Absperrbände zu spannen.
Warum es dennoch zu der Sperre kam und wer letztlich die Entscheidung traf, die Schule abzuriegeln, wollte am Mittwochnachmittag keine Stelle so recht sagen. Hacker machte das Bildungsministerium verantwortlich. Dort hieß es, die Entscheidung sei in einer Sitzung mit der Bildungsdirektion und der Krisenmanagerin der Stadt
Wien sowie der Landessanitätsdirektion gefallen. Per Telefon habe das Gesundheitsministerium dann mitgeteilt, dass die Schule zu schließen sei, sagte der Generalsekretär des Bildungsministeriums Martin Netzer der „Presse“. Auch in der Bildungsdirektion und bei der Polizei nannte man die „Gesundheitsbehörden“als entscheidendes Organ.
Ministerium zieht Konsequenzen
Fest steht: Das Vorgehen bei möglichen Coronavirus-Fällen dürfte noch nicht wirklich reibungslos verlaufen. So sagt Netzer über die Landessanitätsdirektion: „Ich war erstaunt, wie lange man gebraucht hat, um überhaupt Lösungsvorschläge zu bringen.“So ist es vermutlich auch kein Zufall, dass das Bildungsministerium am Mittwoch einen Krisenplan zum Umgang mit dem Corona-Virus an Schulen und Hochschulen verschickt. Darin enthalten ist eine Checkliste, wie bei einer Infektion oder einem dringenden Verdachtsfall zu reagieren ist.
Das Gesundheitsministerium arbeitet derzeit, wie die „Presse“erfährt, an Erlässen, die in den nächsten Tagen herausgegeben werden sollen. Der geplante Inhalt: Gemeinsame Vorgangsweise bei einem Krankheitsausbruch in Gemeinschaftseinrichtungen wie es eben Schulen Krankenanstalten und andere sind. Damit soll in Hinkunft eine möglichst gut abgestimmte Vorgehensweise zwischen Bund und Ländern erreicht werden. So jedenfalls der Plan.