Leiden mit dem Nachbarn .............................
Das Coronavirus dürfte Österreich Milliarden an Euro kosten. Den Ausschlag gibt Italien: Alleine die Lombardei ist für die heimischen Betriebe so wichtig wie Russland.
Bei den beiden Corona-Verdachtsfällen in Wien und Kärnten gab es gestern zwar Entwarnung. Das gilt aber nicht für die heimische Wirtschaft. Täglich werden neue, virusbedingte Störfälle in der globalen Lieferkette bekannt. Aber erst im Frühjahr, wenn sich die Lager leeren, werde die wirtschaftliche Tragweite der Epidemie auch in Europap voll sichtbar werden, erwarten Ökonomen. Österreich müsse sich zumindest auf einen Schaden von 1,1 Milliarden Euro einstellen, schätzen die Forscher vom Complexity Science Hub Vienna. Die Industriellenvereinigung rech
net mit einem Minus in der heimischen Wirtschaftsleistung von 0,15 Prozentpunkten. Sonderlich viel ist das zwar nicht. Aber beide Studien beziehen sich lediglich auf die Auswirkungen des Produktionsstillstands in der Volksrepublik China. Ist die Situation im Nachbarland Italien nicht bald wieder unter Kontrolle, werden die Auswirkungen auf die österreichischen Unternehmen weitaus drastischer ausfallen.
Italien und Österreich sind eng vernetzt
Italien ist nicht nur eines der beliebtesten Urlaubsziele der Österreicher, es ist hinter Deutschland und den USA auch der dritt
wichtigste Handelspartner der heimischen Volkswirtschaft. Alleine in die Krisenregion Lombardei gingen zuletzt etwa österreichische Waren im Wert von 2,8 Milliarden Euro. Rechnet man auch die Milliarde Euro mit, die Österreich mit seinen Exporten nach Südtirol verdient, wiegt das bereits die gesamten Ausfuhren in die Volksrepublik China auf (siehe Grafik). Die Lombardei al
leine ist für Österreich so wichtig wie ganz Russland. Aber die norditalienischen Pro
vinzen sind nicht nur als Absatzmarkt von besonderer Bedeutung.
Anders als mit China, wo sich die Zusammenarbeit bisher hauptsächlich auf Warenaustausch und Touristen beschränkt, sind die Volkswirtschaften der beiden Alpenländer eng verzahnt. Die allermeisten der rund tausend italienischen Betriebe mit österreichischer Beteiligung befinden sich in Norditalien. Zuletzt stiegen Österreichs Investitionen in das Nachbarland trotz der schwachen Wirtschaftsentwicklung um ein knappes Drittel auf vier Milliarden Euro. Zum Vergleich: In den gehypten MilliardenMarkt China pumpten die heimischen Unternehmen mit 4,5 Milliarden Euro nur geringfügig mehr Geld.
Entsprechend nervös sind die Betriebe angesichts der Krise vor ihrer Haustüre. Ging es bisher „nur“um mögliche Lieferverzögerungen, gehe nun die Angst um, dass Mitarbeiter und Kunden das Virus ins Unternehmen einschleppen könnten, berichtet die Wirtschaftskammer über Anfragen bei der eigens eingerichteten Corona- Hotline. Auch
Transportbeschränkungen und Betriebsausfälle seien ein Thema. Wirtschaftlich am stärksten betroffen ist derzeit die Tourismusbranche, die mit einer Stornowelle der Italienurlauber konfrontiert ist. „Das Geschäft ist fast zum Erliegen gekommen“, ließ Karlheinz Kopf,p Generalsekretär der Wirtschaftskammer Ös terreich, am Mittwoch wissen. Etliche Reisebüros würden bereits mit der Gewerkschaft einen Rahmenvertrag aushandeln, um die 10.000 Mitarbeiter im Zweifels
fall rasch in Kurzarbeit schicken zu können.
Staatsgarantie für betroffene Betriebe?
In manchen Ländern Europas bringen sich Unternehmen in Stellung und rufen nach staatlichen Konjunkturspritzen. Italien fordert dafür – einmal mehr – eine Lockerung der Maastricht-Regeln. Aber auch in der
Bundesrepublik Deutschland steht die Industrie auf dem Standpunkt, dass die Regierung bereits eingreifen sollte. Der Bundesverband der Deutschen Industrie räumte in einer Aussendung zwar ein, dass Ausmaß und Dauer des Virus „überhaupt nicht einzuschätzen“seien, forderte aber dennoch rasche wirtschaftspolitische Impulse, um das Wachstum zu beleben.
In Österreich sei ein Konjunkturpaket derzeit weder geplant, noch notwendig, sagte Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP). Allerdings überlegt das Ministerium, ob die staatliche Förderbank AWS betroffenen Betrieben – wie schon in der Finanzkrise – Staatsgarantien für Überbrückungskredite geben soll. Noch sei das nicht notwendig. Dennoch werde die Maßnahme geprüft, damit es Zweifelsfall schnell geht.