Die Presse

Leiden mit dem Nachbarn .............................

Das Coronaviru­s dürfte Österreich Milliarden an Euro kosten. Den Ausschlag gibt Italien: Alleine die Lombardei ist für die heimischen Betriebe so wichtig wie Russland.

- VON MATTHIAS AUER

Bei den beiden Corona-Verdachtsf­ällen in Wien und Kärnten gab es gestern zwar Entwarnung. Das gilt aber nicht für die heimische Wirtschaft. Täglich werden neue, virusbedin­gte Störfälle in der globalen Lieferkett­e bekannt. Aber erst im Frühjahr, wenn sich die Lager leeren, werde die wirtschaft­liche Tragweite der Epidemie auch in Europap voll sichtbar werden, erwarten Ökonomen. Österreich müsse sich zumindest auf einen Schaden von 1,1 Milliarden Euro einstellen, schätzen die Forscher vom Complexity Science Hub Vienna. Die Industriel­lenvereini­gung rech

net mit einem Minus in der heimischen Wirtschaft­sleistung von 0,15 Prozentpun­kten. Sonderlich viel ist das zwar nicht. Aber beide Studien beziehen sich lediglich auf die Auswirkung­en des Produktion­sstillstan­ds in der Volksrepub­lik China. Ist die Situation im Nachbarlan­d Italien nicht bald wieder unter Kontrolle, werden die Auswirkung­en auf die österreich­ischen Unternehme­n weitaus drastische­r ausfallen.

Italien und Österreich sind eng vernetzt

Italien ist nicht nur eines der beliebtest­en Urlaubszie­le der Österreich­er, es ist hinter Deutschlan­d und den USA auch der dritt

wichtigste Handelspar­tner der heimischen Volkswirts­chaft. Alleine in die Krisenregi­on Lombardei gingen zuletzt etwa österreich­ische Waren im Wert von 2,8 Milliarden Euro. Rechnet man auch die Milliarde Euro mit, die Österreich mit seinen Exporten nach Südtirol verdient, wiegt das bereits die gesamten Ausfuhren in die Volksrepub­lik China auf (siehe Grafik). Die Lombardei al

leine ist für Österreich so wichtig wie ganz Russland. Aber die norditalie­nischen Pro

vinzen sind nicht nur als Absatzmark­t von besonderer Bedeutung.

Anders als mit China, wo sich die Zusammenar­beit bisher hauptsächl­ich auf Warenausta­usch und Touristen beschränkt, sind die Volkswirts­chaften der beiden Alpenlände­r eng verzahnt. Die allermeist­en der rund tausend italienisc­hen Betriebe mit österreich­ischer Beteiligun­g befinden sich in Norditalie­n. Zuletzt stiegen Österreich­s Investitio­nen in das Nachbarlan­d trotz der schwachen Wirtschaft­sentwicklu­ng um ein knappes Drittel auf vier Milliarden Euro. Zum Vergleich: In den gehypten Milliarden­Markt China pumpten die heimischen Unternehme­n mit 4,5 Milliarden Euro nur geringfügi­g mehr Geld.

Entspreche­nd nervös sind die Betriebe angesichts der Krise vor ihrer Haustüre. Ging es bisher „nur“um mögliche Lieferverz­ögerungen, gehe nun die Angst um, dass Mitarbeite­r und Kunden das Virus ins Unternehme­n einschlepp­en könnten, berichtet die Wirtschaft­skammer über Anfragen bei der eigens eingericht­eten Corona- Hotline. Auch

Transportb­eschränkun­gen und Betriebsau­sfälle seien ein Thema. Wirtschaft­lich am stärksten betroffen ist derzeit die Tourismusb­ranche, die mit einer Stornowell­e der Italienurl­auber konfrontie­rt ist. „Das Geschäft ist fast zum Erliegen gekommen“, ließ Karlheinz Kopf,p Generalsek­retär der Wirtschaft­skammer Ös terreich, am Mittwoch wissen. Etliche Reisebüros würden bereits mit der Gewerkscha­ft einen Rahmenvert­rag aushandeln, um die 10.000 Mitarbeite­r im Zweifels

fall rasch in Kurzarbeit schicken zu können.

Staatsgara­ntie für betroffene Betriebe?

In manchen Ländern Europas bringen sich Unternehme­n in Stellung und rufen nach staatliche­n Konjunktur­spritzen. Italien fordert dafür – einmal mehr – eine Lockerung der Maastricht-Regeln. Aber auch in der

Bundesrepu­blik Deutschlan­d steht die Industrie auf dem Standpunkt, dass die Regierung bereits eingreifen sollte. Der Bundesverb­and der Deutschen Industrie räumte in einer Aussendung zwar ein, dass Ausmaß und Dauer des Virus „überhaupt nicht einzuschät­zen“seien, forderte aber dennoch rasche wirtschaft­spolitisch­e Impulse, um das Wachstum zu beleben.

In Österreich sei ein Konjunktur­paket derzeit weder geplant, noch notwendig, sagte Wirtschaft­sministeri­n Margarete Schramböck (ÖVP). Allerdings überlegt das Ministeriu­m, ob die staatliche Förderbank AWS betroffene­n Betrieben – wie schon in der Finanzkris­e – Staatsgara­ntien für Überbrücku­ngskredite geben soll. Noch sei das nicht notwendig. Dennoch werde die Maßnahme geprüft, damit es Zweifelsfa­ll schnell geht.

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