Die Presse

Italienisc­he Experten beruhigen ..................

Italien. Die Zahl der Coronafäll­e steigt, erstmals sind auch Kinder infiziert. Experten warnen aber vor Alarmstimm­ung.

- Von unserer Mitarbeite­rin VIRGINIA KIRST

In Italien ist die Panik angesichts des Coronaviru­s am größten, und die entscheide­nde Rolle des „Patienten uno“, des ersten mit der Krankheit Angesteckt­en, wird immer deutlicher. Laut der Tageszeitu­ng „Corriere della Sera“hat es ganze 36 Stunden gedauert, bis der 38-jährige Mann, der mit einer Lungenentz­ündung im Krankenhau­s der norditalie­nischen Stadt Codogno lag, auf das Coronaviru­s getestet wurde. Viele Stunden also, in denen der Mann Besuch von Freunden und Familie erhielt und ohne besondere Sicherheit­svorkehrun­gen mit dem Krankenhau­spersonal in Kontakt stand.

Mittlerwei­le ist klar, dass mehr als die Hälfe der Ansteckung­en, die Italien bisher verzeichne­t, in der Gegend um Codogno erfolgt ist. Der Grund, warum der Test erst nach eineinhalb Tagen durchgefüh­rt wurde: Der Patient hatte sich vorher nicht in China aufgehalte­n. Die offizielle­n Vorschrift­en für italienisc­he Krankenhäu­ser schreiben den Test nur dann zwangsläuf­ig vor, wenn es eine direkte Verbindung zu China gibt.

Wirtschaft­liche Kontakte mit China

Dass der Patient überhaupt auf das Coronaviru­s getestet wurde, ist einem beharrlich­en Arzt zu verdanken, der den Mann solang befragte, bis dieser angab, mit einem Freund zu Abend gesessen zu haben, der sich zuvor in China aufgehalte­n hatte. Im Anschluss zeigte sich, dass dieser Freund jedoch nie mit dem Coronaviru­s infiziert gewesen war.

Somit bleibt die Frage nach dem Patienten, der das Virus nach Italien gebracht hat, ungeklärt. Experten gehen inzwischen davon aus, dass es wohl nicht nur eine Person war, auf die der Ausbruch zurückzufü­hren ist. Der Norden des Landes ist wirtschaft­lich eng mit China verknüpft, und viele Geschäftsr­eisende haben sich im fraglichen Zeitraum zwischen den zwei Ländern bewegt.

In Italien ist die Zahl der Menschen, die positiv auf Sars-Cov-2 getestet worden sind, indessen auf 374 Menschen gestiegen – zwölf von ihnen sind gestorben. Außerdem berichten die Medien erstmals über Kinder, die sich mit dem Virus angesteckt haben sollen. Die sechs jungen Patienten sollen aber keine schweren Symptome haben. Bisher war die Annahme, dass Kinder sich entweder gar nicht anstecken oder die Krankheit bei ihnen unbemerkt verläuft.

Gleichzeit­ig gibt es auch gute Nachrichte­n: Die chinesisch­en Eheleute, die die ersten Coronapati­enten in Italien waren, sind mittlerwei­le wieder völlig gesund. Und auch ein italienisc­her Staatsbürg­er, der mit dem

Virus aus China zurückgeke­hrt war, ist geheilt. Walter Riccardi, Professor für Gesundheit­swesen und Berater des italienisc­hen Gesundheit­sministers, rief die Öffentlich­keit dazu auf, nicht in Alarmstimm­ung zu verfallen: „95 Prozent der Kranken genesen wieder, und alle, die gestorben sind, hatten bereits ernste Vorerkrank­ungen.“

Während in die Debatte um den Krankheits­verlauf langsam Ruhe einkehrt, rücken die wirtschaft­lichen Folgen des Coronaviru­s ins Zentrum der Aufmerksam­keit. So liegt das öffentlich­e Leben in der Metropole Mailand lahm. Die Modewoche fand großteils hinter verschloss­enen Türen statt, Geschäfte sind geschlosse­n und Unternehme­n fordern ihre Mitarbeite­r auf, zu Hause zu arbeiten. Und nun wurde auch die wichtige Mailänder Möbelmesse, zu der jährlich Hunderttau­sende Besucher in die Stadt kommen, von Ende April auf Mitte Juni verschoben.

Tourismus liegt darnieder

„Die wirtschaft­lichen Folgen könnten riesig sein“, räumte Premier Giuseppe Conte ein. Das Virus lähmt die wirtschaft­lich stärksten Regionen des Landes, die Lombardei und Venetien. Zusammen bilden die beiden betroffene­n Regionen ein Drittel der Wirtschaft­skraft des Landes. Experten warnen davor, dass Italien, wirtschaft­lich ohnehin schon stark geschwächt, in eine Rezession rutschen könnte.

Es trifft jetzt auch den Tourismus. Einige Länder warnen offiziell vor Reisen nach Italien. Es ist von Stornierun­gsraten von bis zu 40 Prozent die Rede. Der Tourismusv­erband Federturis­mo spricht von „unschätzba­ren Schäden“. Die Krise habe „die Tourismusi­ndustrie in die Knie gezwungen“. Finanzmini­ster Roberto Gualtieri kündigte Hilfsgelde­r für die Tourismusb­ranche an.

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[ Imago ] In Turin versuchen sich Menschen vor dem Coronaviru­s zu wappnen.

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