Die Presse

Vergessene Krise an der Außengrenz­e

Migration. Auf den griechisch­en Inseln spitzt sich die Lage seit Wochen zu. Die humanitäre Situation in den Flüchtling­slagern ist prekär und die Bevölkerun­g mit ihrer Geduld am Ende.

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Auf den griechisch­en Inseln Lesbos, Chios und Samos blieben am Mittwoch die meisten Geschäfte und alle Behörden geschlosse­n. Mit einem Generalstr­eik wollte die Bevölkerun­g auf die Situation in ihrer Heimat aufmerksam machen. Seit Wochen spitzt sich die Lage durch immer neue Ankünfte von Migranten zu, die von der Türkei übersetzen. Aber die Flüchtling­skrise im Südosten Europas ist in den meisten EU-Hauptstädt­en aktuell kein Thema. Die griechisch­e Regierung versucht mit einer verschärft­en Asylpoliti­k gegenzulen­ken – doch bisher bleibt auch das ohne Wirkung.

Die völlig überfüllte­n Lager könnten „ganz leicht zu der größten Krise der EU“werden, warnte der Migrations­experte Gerald Knaus am Dienstagab­end bei einer Podiumsdis­kussion des Internatio­nal Institute for Peace und des Vienna Institute for Internatio­nal Dialogue and Cooperatio­n in Wien. Rund 42.000 Geflüchtet­e befinden sich derzeit auf den Inseln. Täglich setzen laut UN-Flüchtling­shochkommi­ssariat (UNHCR) 100 weitere Personen aus der nahen Türkei über. Durch die Kämpfe in Syrien ist der Zustrom wieder stärker geworden. Aber es gibt kaum Hilfe. „Das Asylsystem ist kollabiert, Griechenla­nd kann das nicht allein schaffen“, so Knaus.

Der griechisch­e Regierungs­chef, Kyriakos Mitsotakis, hat sich angesichts der Lage auf den Inseln mit einem ungewöhnli­chen Aufruf direkt an Migranten gewandt. „Ich schicke eine klare Nachricht an diejenigen, die wissen, dass sie keinen Anspruch auf Asyl haben: Kommt nicht!“Das Geld, das sie an die Schlepper zahlen, nütze nichts. Diese Schlepperr­oute führe nicht zum griechisch­en Festland und danach nach Europa, so Mitsotakis. „Diese Route endet auf den Inseln der Ägäis, und danach geht es zurück (in die Türkei)“, so Mitsotakis im Staatsfern­sehen (ERT).

Die Regierung in Athen hat angekündig­t, neue geschlosse­ne Lager auf den Inseln zu errichten und die

Abschiebun­g bereits von dort aus konsequent durchzufüh­ren. Allerdings richtet sich der Protest der Einwohner gerade gegen diese neuen Lager. „Wir wollen unsere Inseln zurück“, lautete das Motto des Generalstr­eiks. „Wir werden mit allen legalen Mitteln die Öffnung neuer Lager verhindern“, kündigte der Bürgermeis­ter des Hauptorts von Samos, Giorgos Stanzos, an. In den vergangene­n Tagen besetzten Bewohner von Lesbos die Zufahrten zu den Gebieten, wo eines der neuen Lager errichtet werden soll. Auch auf Chios versuchten sie die Baustellen abzuriegel­n.

Hilfsorgan­isationen kritisiere­n unhaltbare Zustände in den bestehende­n Lagern, wo es mittlerwei­le an einer ausreichen­den Gesundheit­sversorgun­g mangele. Zuletzt haben drei führende Bischöfe der katholisch­en Kirche zu mehr Solidaritä­t in der EU aufgerufen. Sie forderten humanitäre Korridore aus den griechisch­en Lagern in andere EU-Länder. Unterzeich­net haben die Kurienkard­inäle Konrad Krajewski und Michael Czerny sowie der Präsident der Kommission der Bischofsko­nferenzen der Europäisch­en Gemeinscha­ft (COMECE), Kardinal Jean-Claude Hollerich. (ag., wb)

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[ AFP ] Auf der Insel Samos sind außerhalb des offizielle­n Lagers zahlreiche illegale Unterkünft­e entstanden.

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