Arzt und Patient klagen in Österreich
Sterbehilfe. Das deutsche Urteil bedeutet Rückenwind für insgesamt vier Personen, die vor dem VfGH für liberalere Gesetze kämpfen. Eine Entscheidung könnte im Juni fallen.
Während ein deutsches Urteil die geschäftsmäßige Sterbehilfe erlaubt, ist die österreichische Rechtslage noch deutlich restriktiver. Hierzulande ist es bereits mit Strafe bedroht, wenn man einem zum Abschied gewillten Freund eine Pistole schenkt – oder ihm auch nur beim Kauf eines Zugtickets hilft, damit er zur Sterbehilfe in ein liberaleres Land wie etwa die Schweiz fahren kann. Doch das deutsche Urteil könnte Rückenwind für eine beim heimischen Verfassungsgerichtshof (VfGH) anhängige Beschwerde bedeuten.
Zwar ist das österreichische Höchstgericht in keinster Weise an die Erwägungen der deutschen Kollegen gebunden. Aber Wolfram Proksch, der als Anwalt die Beschwerde beim VfGH einbrachte, sieht durchaus Parallelen. So habe das deutsche Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil die Menschenwürde hervorgehoben. Und auch der VfGH beziehe sich in seinen Erkenntnissen oft auf diese, wie Proksch im Gespräch mit der „Presse“betont. Dazu komme, dass die Grundrechte in Österreich und Deutschland ähnlich ausgestaltet seien. In beiden Ländern gelten die Europäische Menschenrechtskonvention und die EUGrundrechtecharta.
Kippen will Proksch vor Gericht zwei Bestimmungen im Strafgesetzbuch. Eine stellt die „Tötung auf Verlangen“unter Strafe (also wenn man jemanden auf dessen Wunsch aktiv tötet). Die andere Bestimmung betrifft die „Mitwirkung am Selbstmord“(Hilfeleistung oder Verleitung dazu). Auf beide Delikte stehen momentan sechs Monate bis fünf Jahre Haft.
Doch die Sache ist verfahrensrechtlich nicht so einfach. Denn um sich über einen Individualantrag an den VfGH wenden zu können, muss der Antragsteller eine unmittelbare Betroffenheit geltend machen. Wer als Schwerkranker Suizid begehen will, ist aber ohnedies bereits straffrei. Und so könnte man argumentieren, dass er vom Gesetz gar nicht betroffen sei.
Um sicherzustellen, dass die Beschwerde vom VfGH angenommen wird, umfasst Prokschs Beschwerde vier Antragssteller. Der
Erste leidet unter Multipler Sklerose. Er ist ans Bett gebunden und kann nicht in die Schweiz reisen. Er hätte auch eine Vertrauensperson, die ihm Sterbehilfe leisten würde.
Ein zweiter Antragssteller wurde bereits wegen „Mitwirkung am Selbstmord“strafrechtlich verurteilt. Er half seiner krebskranken Frau beim Suizid.
Die dritte Person, die sich an den VfGH wandte, leidet an Morbus Parkinson. Es käme einer Aufgabe der Menschenwürde gleich, würde man ihn wegen der Krankheit irgendwann mit Medikamenten in einen „geistigen Dämmerzustand“versetzen, erklärt er.
Der vierte Antragssteller ist ein Arzt, der bereit wäre, Schwerkranken beim Suizid zu helfen, wenn es kein gesetzliches Verbot gäbe.
Der VfGH wird frühestens in der Juni-Session über die Anträge entscheiden. Fallen die angefochtenen Strafbestimmungen, wären in Österreich auch Sterbehilfevereine bis auf Weiteres erlaubt. Denn ihr Vereinszweck wäre dann kein verbotener mehr, sagt Proksch.