Villach als Hightech-Festung Europas
Chiphersteller. Europa überlässt die Chipproduktion überwiegend Asien. Das bringt gefährliche Abhängigkeit. Infineon macht nun Kärnten zum Anker für europäische Schlüsseltechnologie.
Europa ist als Standort gelinde gesagt ein Schwächling, wenn es um wichtige Technologie geht. Amerika und Asien teilen sich die Vorherrschaft in der Hightech-Industrie untereinander auf. Nur drei der 20 weltweit größten Chiphersteller haben ihren Sitz in Europa. Neben NXP aus den Niederlanden und STMicro mit Sitz in der Schweiz gibt es die deutsche Infineon. Ihr Umsatz entspricht nur etwa einem Achtel des Umsatzes des Marktführers Samsung.
Dabei braucht man die millimeterkleinen Halbleiterplättchen überall: für Smartphone, Auto, Züge, Reisepass, Bankomatkarte, Solar- und Windanlagen. Kurzum: Ein modernes Leben ohne Chips wäre unmöglich.
Die Herstellung überlässt Europa aber überwiegend Südkorea und Taiwan. China erhöht inzwischen sein Engagement. Schließlich will das Reich der Mitte bis 2030 führend in der KI-Technologie sein. Nur sechs bis sieben Prozent der globalen Mikroelektronik würden in Europa hergestellt, sagt Sabine Herlitschka, Vorstandsvorsitzende von Infineon Technologies Austria.
Seit der Renaissance des Protektionismus hält die Managerin dies für gefährlich. „Ich bin für den freien Welthandel, aber wenn der so nicht möglich ist, dann müssen wir in Europa auf unsere Kompetenzen achten.“Es ginge ihr nicht darum, Asien anzuschwärzen. Infineon hat selbst die meisten Mitarbeiter in ihren Standorten in Asien, auch in der chinesischen Provinz Wuhan. Es gehe ihr um Autonomie und ein Wertesystem. Sie verweist auf das Social-Credit-System in China, wo man Technologie verwende, um ein Überwachungssystem aufzuziehen. „Wir als Europäer dürfen uns nicht in eine nachteilige Position versetzen“, warnt Herlitschka, die Infineon Austria seit 2014 vorsitzt.
Dennoch seien in der Branche viele aus Europa abgewandert – aus Kostengründen. Auch Infineon ging nach Asien und produziert dort im großen Stil. Doch nun nimmt die ehemalige SiemensTochter 1,6 Milliarden Euro in die Hand und baut ihren Standort in Villach aus. Somit macht sie Kärnten zu einem weiteren europäischen Anker für relevante Schlüsseltechnologie.
Der Ausbau schafft in Villach 400 Arbeitsplätze im neuen Werk und 350 Arbeitsplätze im neuen Forschungs- und Entwicklungsgebäude. Es werden nicht nur Wartungsarbeiter gebraucht, sondern auch Datenspezialisten und Robotertrainer. 160 Personen wurden schon aufgebaut. Auch die Forschungszentren in Linz und Graz werden erweitert.
„Arbeitsplätze sind heute die neue Währung“, deklariert Herlitschka. Dem Industriewissenschaftlichen Institut IWI zufolge führe ein Job bei Infineon zu mindestens drei Arbeitsplätzen in der Umgebung. Allein in Kärnten generiert Infineon eine Wertschöpfung von 1,3 Mrd. Euro.
Ende 2021 soll die voll automatisierte Chipfabrik mit 60.000 m2 Gebäudefläche stehen. Die Forschungsschmiede eröffnet sogar schon heuer im Frühjahr. Mit 15.000 Tonnen wird zweimal so viel Stahl verbaut wie beim Pariser Eiffelturm..
Es ist die „spannendste und größte Investition dieser Art auf unserem Gebiet derzeit in Europa, in Österreich und selbstverständlich in Kärnten“, sagt Herlitschka. Selbstverständlich war die Entscheidung für Villach allerdings nicht. Auch Dresden war für den Geldregen im Gespräch. In Sachsen gibt es schon ein großes Werk. Die Chefin von Infineon Austria hat sich für den Standort in Villach starkgemacht.
Schließlich entschied sich die in Stuttgart notierte Aktiengesellschaft 2018 für Österreich. Die Rahmenbedingungen aus Forschungsprämie und Senkung der Körperschaftsteuer seien ausschlaggebend gewesen.
Außerdem sei das „Filetstück unserer Technologie“ursprünglich in Villach entwickelt worden, erinnert Herlitschka. Gemeint ist die hochautomatisierte Produktion von Leistungshalbleitern auf 300-Millimeter-Dünnwafern. Die 40 Mikrometer dicken Siliziumscheiben sind dünner als ein Blatt Papier. Die Infineon-Chips seien schon in der Hälfte aller Rechenzentren weltweit verbaut.
Produziert werden sie in einem Reinraum – einer hochreinen Umgebung, in der maximal ein Staubteilchen auf 28 Liter Luft zulässig ist. Damit ist die Luft sauberer als in einem OP-Saal im Krankenhaus. Diese enthält nämlich 1000 bis 10.000 Teilchen. Sauber verpackt, gehen die Chips dann in die ganze Welt: etwa ein Drittel nach Europa, fünf Prozent nach Amerika und den Großteil nach Asien. Allein auf China entfällt ein Viertel vom Umsatz.