Die Presse

Eine Pandemie wie 2009 die Schweinegr­ippe

Es ist anzunehmen, dass fast jeder mit dem Virus in Kontakt kommen wird, doch die Mehrheit wird keine oder schwache Symptome entwickeln.

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Wie erwartet hat das Coronaviru­s nun auch Österreich erreicht. Zwar wird von offizielle­r Seite alles versucht, um zu beruhigen, aber leider wird das nichts daran ändern, dass wir wohl unaufhalts­am auf eine Pandemie zusteuern. Das neue Coronaviru­s ist nämlich infektiolo­gisch ein Albtraum: Die Zeit zwischen Infektion und Auftreten von Symptomen (sofern diese überhaupt auftreten), in der die Patienten bereits infektiös sind, ist sehr lang, die Infektiösi­tät ist hoch, die Diagnostik unzuverläs­sig.

China hat seit dem Ausbruch des Virus prinzipiel­l alles richtig gemacht, aber trotzdem gelang es nicht, die Verbreitun­g in den Rest der Welt zu verhindern, und die Eindämmung der weltweit immer zahlreiche­r aufflacker­nden Infektions­herde wird leider immer unwahrsche­inlicher. Auch führt jeder weitere Herd dazu, dass infektiöse „Spreader“ohne klinische Symptome das Virus weiter verbreiten. Der Vergleich mit der Spanischen Grippe von 1918 bis 1920 (vermutlich 50 Millionen Tote bei einer Weltbevölk­erung von ca. 1,8 Milliarden) ist nicht so weit hergeholt – auch diese Erkrankung überzog trotz wesentlich geringerer Mobilität der Menschen damals letztendli­ch die gesamte Welt.

Im Unterschie­d zur Spanischen Grippe, die hauptsächl­ich junge Erwachsene tötete, scheint jedoch das Coronaviru­s laut den vorliegend­en chinesisch­en Daten vor allem für ältere Menschen mit Vorerkrank­ungen gefährlich zu sein – und in einem Land wie Österreich fallen leider sehr viele Menschen in diese Risikogrup­pe. Laut chinesisch­en Daten entwickeln ca. 20 Prozent aller Infizierte­n schwere Symptome, und ca. zwei Prozent aller Erkrankten sterben. Das Sterberisi­ko der 70- bis 79-Jährigen liegt bei acht Prozent, jenes der über 80-Jährigen bei 15 Prozent. Allerdings sind diese Daten nicht ganz aussagekrä­ftig, da nicht klar ist, wie viele Menschen keine oder wenig Symptome entwickeln, deshalb nicht getestet werden und somit nicht in die Statistik Eingang finden. Somit ist anzunehmen, dass die Gesamtmort­alität am Coronaviru­s deutlich unter zwei Prozent liegt.

Was ist nun das wahrschein­lichste Szenario für Österreich? Es ist anzunehmen, dass es der Schweinegr­ippe-Pandemie 2009 ähneln wird: Am Anfang wurde jeder einzelne Fall offiziell verkündet, es gab Quarantäne­n usw. Doch als die Fallzahlen explodiert­en, wurden bald wie bei jeder „normalen“Grippewell­e nur mehr Patienten mit schweren Verläufen stationär behandelt, und für alle anderen Fälle gab es keine speziellen Maßnahmen mehr.

Es ist anzunehmen, dass fast jeder mit dem Virus in Kontakt kommen wird, da es unrealisti­sch ist, sich bei einer Pandemie über Wochen hinweg vor dem Virus schützen zu können (zumal dazu das gesamte öffentlich­e Leben stillstehe­n müsste). Die Mehrzahl der Menschen wird keine oder nur schwache Symptome entwickeln, aber leider nicht alle: Österreich wies 2019 ca. 780.000 Einwohner auf, die 70 bis 79 Jahre alt waren, und 440.000 Personen waren 80 oder älter.

Wort-Case: 50.000 Todesfälle möglich

Wenn man davon ausgeht, dass die Hälfte der Erkrankung­en aufgrund des milden Verlauf gar nicht diagnostiz­iert wird, könnten in Österreich als Worst Case Szenario nur bei älteren Menschen mehr als 50.000 Todesfälle­n auftreten. Zum Vergleich: die Grippe dürfte in Österreich 2018 ca. 1400 Todesopfer gefordert haben.

Es ist zu hoffen, dass Österreich wirklich (wie vom Gesundheit­sminister verkündet) zu den bestvorber­eiteten Ländern der EU gehört – unser Gesundheit­ssystem muss auf eine große Anzahl von Patienten mit Pneumonie vorbereite­t sein. Essenziell ist auch die Sicherstel­lung der Infrastruk­tur für die Beatmung von Patienten mit akutem Lungenvers­agen.

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