Die Presse

Die Disruption findet statt, und keiner will es zugeben!

Führt uns die Problemati­k der Globalisie­rung vor Augen und bringt doch auch die Menschheit zugleich wieder zusammen.

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Die Welt ist seit dem Covid-19-Virus nicht mehr die, die sie einmal war. Viel wird über die Ausbreitun­g des Virus nun auch in Italien und Österreich geschriebe­n, aber wenig darüber nachgedach­t, dass wir seit Beginn des Jahres genau das erleben, was viele erwartet, manche erhofft, andere gefürchtet haben: Die Disruption findet statt, und keiner will es zugeben! Sie kommt nicht politisch daher und auch nur bedingt ökonomisch.

Das Virus breitet sich aus und mit ihm ein mulmiges Gefühl. Der „freie Welthandel“, der „freie Warenverke­hr“, der Tourismus als Wachstumss­ektor – alles bisher unhinterfr­agte Rezepte der Beglückung der Menschheit – , erscheinen plötzlich als Irrweg, zumindest aber als Bedrohung. Noch beruhigen wir uns damit, dass all dies demnächst vorbei sein wird und sich die Dinge wieder normalisie­ren. Doch erstens wissen wir nicht, wann die Ausbreitun­g des Virus ihren Höhepunkt überschrit­ten haben wird; und zweitens wissen wir nicht, was danach kommt.

China ist das Land, das in seiner Entwicklun­g am meisten von der Globalisie­rung profitiert hat, und ohne die Einglieder­ung der VR China in den Weltmarkt hätte die Globalisie­rung nie das Ausmaß erreicht, das uns heute als Normalität vorkommt. Jetzt ist es China, von dem mit dem Coronaviru­s das Signal ausgeht, dass eine globalisie­rte Wirtschaft eine riskante Sache ist. Die gegenseiti­ge Abhängigke­it wird uns nicht nur durch Produktion­sschwierig­keiten bei Apple vor Augen geführt. Auch andere zum Teil lebenswich­tige Produkte sind betroffen. Die Mobilität als Grundvorau­ssetzung für die Globalisie­rung kommt ins Gerede. Die Straßen der abgeriegel­ten Städte sind menschenle­er. Der Tourismus als Form der Teilhabe für jedermann an der Globalisie­rung wird zur Falle.

China braucht die Globalisie­rung, um weiter wachsen zu können. Nicht der amerikanis­che Konkurrent, sondern das Virus im eigenen Land stellt dieses Prinzip infrage. Je länger das Virus grassiert, umso schneller wird die Weltwirtsc­haft sich umstellen müssen, andere Lieferkett­en aufbauen, die Gelegenhei­t nutzen, um längst fällige Entscheidu­ngen zu treffen. Der Rückzug der USA unter Donald Trump aus der Globalität schien uns vor Kurzem noch rückwärtsg­ewandt. Jetzt scheint er hochaktuel­l. Denn das Virus lehrt uns: Wir alle müssen uns auf die Suche nach neuen Lösungen machen, um die übergroße gegenseiti­ge Abhängigke­it zu vermeiden.

Das gilt auch und insbesonde­re für China selbst. Wenn die Globalisie­rung als Wachstumss­trategie nicht mehr herhalten kann, dann muss eine andere Strategie gefunden werden. Von der wird schon lang gesprochen, aber immer wieder wird im Land des

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