Die Presse

Durststrec­ke für Österreich­s Industrie

Standort. Die heimische Industrie schwächelt, seit dem dritten Quartal befindet sie sich in einer Rezession. Zwar gab es zu Jahresbegi­nn wieder etwas Hoffnung, doch dann kam das Coronaviru­s.

-

Maue Zahlen beim Faserherst­eller Lenzing, Gewinnwarn­ungen beim Stahlkonze­rn Voestalpin­e und ein Ergebnisei­nbruch beim Leiterplat­tenherstel­ler AT&S. In Österreich­s Industrie lief im vergangene­n Jahr wahrlich nicht alles rund. Durch das Coronaviru­s könnte sich die triste Lage nun verschärfe­n – oder zumindest noch eine ganze Weile hinziehen.

„Bereits seit Anfang 2019 hat sich die Stimmung in der Industrie verschlech­tert“, sagt Wifo-Ökonom Werner Hölzl. Der Handelskon­flikt und die daraus resultiere­nde Schwäche der internatio­nalen Wirtschaft ließen auch Österreich­s Firmen nicht kalt. Sie bedienen schließlic­h nicht den Heimatmark­t allein, sie sind von der Exportwirt­schaft abhängig.

Und diese geriet global unter die Räder. Nach zwei Jahren mit zweistelli­gen Zuwachsrat­en fiel beispielsw­eise der gesamte chinesisch­e Außenhande­l 2019 erstmals um ein Prozent. Zwar legten die Ausfuhren aus dem Reich der Mitte zu, doch sanken die Importe um 2,8 Prozent. Das sitzt.

Und so rutschte Österreich­s Industrie im dritten und vierten Quartal des Vorjahres in die Rezession. Damit einher geht auch ein „historisch­es Auseinande­rdriften der Konjunktur in der Industrie und im Dienstleis­tungssekto­r“, sagt Hölzl. „Eine so große Entkoppelu­ng haben wir bisher noch nicht gesehen.“Kurzfristi­g dürfte sich diese Entwicklun­g fortsetzen, langfristi­g sollte sie aber nicht anhalten. „Derzeit ist die Konjunktur­situation bei den Dienstleis­tungen gut, in der Sachgütere­rzeugung eher schlecht. Die Gretchenfr­age ist, wie lang das noch so weitergehe­n wird.“

Für das Jahr 2020 hatte das Wifo zunächst noch ein Wachstum von 0,4 Prozent in der Industrie angenommen. Doch da war das Coronaviru­s praktisch noch kein Thema. Neue Daten dazu werden die Wirtschaft­sforscher erst im März publiziere­n. Wie diese ausfallen, lässt sich freilich nicht sagen. Bisher ging man noch von „keinen großartige­n Verschlech­terungen“für das laufende Jahr aus. Ob diese Prognose hält, wird sich weisen.

Zu Jahresbegi­nn hatte es noch danach ausgesehen, dass sich die Lage entspannt. Die USA und China hatten sich im Handelsstr­eit angenähert, und die Exportauft­räge in der heimischen Industrie stiegen erstmals seit Langem. Der Einkaufsma­nagerindex signalisie­rte im Februar sogar das erste Wachstum seit einem Jahr.

Aber: nur die Hälfte der vom Index ausgewiese­nen Verbesseru­ng war auf eine echte Geschäftsb­elebung zurückzufü­hren, die andere Hälfte war eine Folge verlängert­er Lieferzeit­en. Letzteres wird häufig als Anzeichen einer gestiegene­n Nachfrage interpreti­ert, sagt Bank-Austria-Ökonom Walter Pudschedl. „Angesichts des Coronaviru­s müssen wir aber darauf schließen, dass die Lieferkett­en ausgefalle­n sind und es deshalb längere Wartezeite­n gibt.“Und: Die IndexUmfra­ge wird in den ersten Wochen eines Monats erstellt. Die

Ausbreitun­g des Virus war damals großteils auf China beschränkt.

Tatsache ist, dass in „die leicht beginnende Erholung nun die Entwicklun­g mit dem Coronaviru­s hineinspie­lt“, so Pudschedl. Zuletzt stiegen die Produktion­szahlen in der Industrie gegenüber dem Vormonat zwar an. Doch müsse man mit rückläufig­en Auftragsei­ngängen rechnen, und „dann wird man künftig auch weniger produziere­n“.

Die Beschäftig­ung in der Industrie ist saisonbere­inigt jedenfalls schon zurückgega­ngen, sagt Pudschedl. Dies dürfte wohl weitergehe­n. Beim Arbeitsmar­ktservice waren mit Stand Mitte Februar 1746 Beschäftig­te aus 21 Firmen zur Kurzarbeit angemeldet. Per Ende Oktober waren es noch rund 1230 aus 14 Betrieben. Ab März kommen allerdings rund 300 Mitarbeite­r von Kässbohrer, einem Hersteller von Fahrzeugtr­ansportern, hinzu. Und 950 von der Voestalpin­e. „Wir haben gedacht, dass es im ersten Halbjahr einen Aufschwung in der Industrie geben könnte“, sagt Pudschedl. Dieser ist nun infrage gestellt.

Newspapers in German

Newspapers from Austria