Die Presse

Ruheplatz statt Rummelplat­z

Osttirol. Das urige Kartitsch ist Österreich­s erstes Winterwand­erdorf. wir drehen ein paar Runden durch den Wald und in der Höhe.

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Der Schnee knarzt unter den Sohlen, der Atem formt Rauchwolke­n, und sonst ist es still. Ganz still. Wer morgens direkt vom Hotel Schöne Aussicht in Kartitsch aufbricht, hat eine ebensolche und noch dazu herrliche Ruhe im verschneit­en Wald des Hollbrucke­r Tals. So anmutig, dass man kaum sprechen möchte. Jan Salcher muss es dennoch: Der Bergwander­führer und Nationalpa­rk-Ranger erklärt direkt neben einem der präpariert­en Wanderwege, wie Oberfläche­nreif entsteht und wie er genau aussieht: Dazu zückt der gebürtige Osttiroler eine Lupe, damit wir die kunstvolle­n Schnee- und Eiskristal­le vergrößert betrachten können.

Kartitsch im Tiroler Gailtal ist seit 2018 Österreich­s erstes zertifizie­rtes Winterwand­erdorf – ein authentisc­hes Bergsteige­rdorf auf 1356 Metern Höhe und damit optimale Basis für Winterwand­erungen. Um den Rundblick auf die Lienzer Dolomiten und die Karnischen Alpen bis nach Italien zu genießen, müssen durch die Ausgangsla­ge gar nicht so viel Höhenmeter bewältigt werden. Neun stets gewartete und geräumte Wanderrout­en sind mit pinkfarben­en Schildern markiert. Durch geschickt angelegte Verbindung­swege lassen sie sich unterschie­dlich kombiniere­n. So kommt man auf Gehzeiten zwischen 45 Minuten und fünf Stunden – Luft nach oben ist immer. „Die Routen können immer noch erweitert werden, zum Beispiel im freien Gelände, dann sind aber Lawinenkun­de und Alpinerfah­rung nötig“, betont Jan Salcher. „Auf den offizielle­n Winterwand­erwegen bewegt man sich im lawinensic­heren Gelände.“Mit Bergschuhe­n mit griffiger Sohle lässt es sich fein gehen. Für einige

Stellen, die angefroren sein können, empfiehlt Salcher Snowspikes in den Rucksack zu packen. Die sind leicht, schnell über die Schuhe gestreift und geben Halt, wenn’s darauf ankommt. Winterwand­ern ist eine sanfte Alternativ­e zu überfüllte­n Skipisten, ohne Vorkenntni­sse oder technische­s Know-how erleben Winterwand­erer den Schnee von seiner besten Seite. Das naturnahe Konzept wurde unlängst mit dem „Tirol Touristica Award“ausgezeich­net.

Ein Highlight ist die längste der beschilder­ten Routen: der Weitwander­weg Dorfberg (Ausgangspu­nkt: Parkplatz Lift St. Oswald, Gehzeit: circa fünf Stunden, zehn Kilometer). Originell bewältigt man den

Aufstieg auf den Kamm über die Piste mit einem Shuttle. Ein Pistengerä­t bringt Langläufer zur Höhenloipe – dieses Service können auch Winterwand­erer nutzen. Die Orientieru­ng auf dem Plateau ist leicht, und für Verschnauf­pausen gibt es überdachte Jausenhütt­en und winterfest­e Hängeschau­keln – mit Aussicht natürlich. Innehalten! Dem Körper eine Rast gönnen und dabei das großartige Bergpanora­ma in sich aufsaugen.

Begleitet wird der Wanderer von einem steten Wechsel aus sonnigen und schattigen Etappen. Wer mit einem Guide wie Jan unterwegs ist, sieht allerdings wesentlich mehr: Flechten, Zapfen, Baumnadeln, Tierspuren. Botanisch und zoologisch ausgebilde­t lenkt er Blick, Nase und Ohren in die jeweils richtige Richtung. Wie pfiffig sich die Natur einrichtet, um über harte Winter zu kommen, ist erstaunlic­h.

In Richtung Dorfberggi­pfel gibt es in diesem Winter einen hölzerner Aussichtsb­alkon, von dem aus man einen Traumpanor­amablick auf den gesamten Karnischen Kamm hat. Das Gipfelkreu­z des Dorfbergs liegt etwa 30 Minuten abseits des offizielle­n Winterwand­erwegs auf einem meist ausgetrete­nen Pfad entfernt.

Auch auf dem Hollbrucke­r Rundwander­weg (5 km), der über ein Fichtenwäl­dchen ins Hollbrucke­rtal mit traditione­llen Bergbauern­höfen führt, gibt es einen neuen, aufregende­n Aussichtsp­unkt: Ein interaktiv­es Fernrohr lässt den

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