Und die Chaiselongue bekommt Beine
Hotellerie. Die große Mehrheit der Gäste weiß, was sich und dem Hotel gehört. Doch einige lassen gern einmal etwas aus dem Zimmer, der Lobby, dem Spa mitgehen. Von Klauklassikern und dreister Beute. Eine kleine Umfrage bei Hoteliers.
Die Hoteliers mauern. „Zu heiß“, „da trauen wir uns nicht drüber“, „interessantes Thema, aber nichts, worüber man reden will“, heißt es durch die Bank – auf die Frage: „Was wird in Hotels gestohlen?“Auch die Österreichische Hoteliervereinigung breitet eher den Mantel des Schweigens aus. „Darüber will kaum ein Hotelier reden. Eine Story wäre ja wie eine Anleitung zum Stehlen.“Hoffentlich ist sie das nicht, denn einige Hoteliers trauen sich schon und geben der „Presse“Auskunft.
Einer der Diebe, nennen wir ihn besser Souvenirjäger, legte dabei höchste Kreativität an den Tag. Er ließ nicht einfach ein Bild aus dem Hotelzimmer mitgehen, nein, er machte es viel eleganter: Löste erst fein säuberlich die Etiketten von Limonaden- und Bierflaschen und pickte sie dann hübsch geordnet dorthin, wo einmal das von ihm entfernte Bild war. Das ließ er – ohne Rahmen freilich – mitgehen. Draufgekommen ist Bernhard Luef, Direktor der Wine & Spa Hotels Loisium in Langenlois und der Südsteiermark, erst, als die Hausdame fragte, ob man denn neue Bilder aufgehängt habe. „Das Bild, das der Gast mitgenommen hatte, war ein billiges, da war seine Kreation vielleicht sogar wertvoller“, schmunzelt Luef.
Nicht lustig fand er die Sache mit der Dame, die den TV-Flatscreen aus ihrem Zimmer in ihren Koffer gepackt und – an der Rezeption erwischt – behauptet hatte, das Zimmermädchen hätte ihn ihr untergejubelt. Auch Vorhänge wechselten schon den Besitzer, und vor allem Handtücher und Bademäntel. „Das ist kein Kavaliersdelikt mehr“, ärgert sich Luef, denn in jedem Hotel fehlen jährlich an die 1000 Handtücher und Hunderte von Bademänteln. „Das kostet uns dann schon mehrere Tausend Euro im Jahr.“
Damit ist er nicht allein, denn Handtücher und Bademäntel – vor allem, wenn sie gebrandet sind – sind in österreichischen Hotels die mit Abstand beliebtesten „Mitnahme-Gegenstände“, also echte Klauklassiker. Die allermeisten Hoteliers verfolgen die Souvenirjäger nicht. Motto: Lieber ein Handtuch weniger als ein verärgerter Gast, der dann ganz sicher nie wiederkommt. „Bei uns kommt nicht viel weg, etwa 100 große Liegetücher im Jahr“, sagt Alexander Tacoli, Geschäftsführer der See-Villa in Millstatt, einem Mitglied von Schlosshotels und Herrenhäuser. Aber einmal, erinnert sich der Hotelier, fehlten nach dem Besuch einer Reisegruppe alle, wirklich alle Handtücher und Bademäntel aus allen Zimmern. „Das haben wir uns dann schon vom Reiseveranstalter ersetzen lassen.“
Nachtelefonieren bringe nichts, meint Roland Hirtenfelder, Direktor des Seminar- und Eventhotels Krainerhütte in Baden. „Man kann sich ja vorstellen, was dann passiert. Der Gast sagt, er habe das Zimmer offen gelassen, er sei es nicht gewesen.“Gott sei Dank, so Hirtenfelder, stehle nur eine absolute Minderheit der Gäste. Diese aber nehme alles, Pölster, Dekordecken, TV-Fernbedienungen, natürlich die Klassiker, Blumentöpfe, Vasen, Kerzen, Sektkübel, Teesiebe und Salz- und Pfeffermühlen. „Jährlich fehlen uns an die 150 solcher Mühlen, bei 70 Tischen. Die gewöhnlichen Salzstreuer nimmt keiner.“Gern genommen werden hingegen die kleinen Duschgels, Seifen und Manikürsets aus den Bädern. „Aber das ist keineswegs Stehlen, die sind ja für den Gast da.“Christian Werner, Herausgeber des „RelaxGuide“, versteht gar nicht, dass jemand diese sogenannten Hotel-Amenities mitnimmt: „Das ist häufig sehr schlechte Qualität.“
„Wir recherchieren nicht nach, wenn etwas abhanden kommt“, betont Agnes Fojan, Marketingleiterin der Werzer’s Hotels am Wörthersee. Gestohlen würden neben dem Üblichen auch immer wieder Personenwaagen und Saunakübel aus dem Wellness-Bereich, ja sogar die Gästemappen verschwinden gern. Sehr beliebt seien auch kleine Deko-Sachen jeder Art. „Alles, was in einer Handtasche Platz hat.“
„Wenn etwas wegkommt, hat das auch die Seite: Den Gast erinnert das dann stets ans Hotel“, meint etwa Martina Haueis, Assistentin der Geschäftsleitung im Burg-Hotel in Lech am Arlberg. Hier werden auch gern
Lavendelkissen, Bierkrüge aus dem Zimmer, ja selbst gebrauchte Jahreskalender mitgenommen.
Gebraucht schützt vor Diebeslust nicht. „Batterien aus Fernbedienungen sowie LEDBirnen waren ein Hit, als ich noch Direktor in einem Wiener Hilton war“, erinnert sich Philip Jansohn. In „seinem“jetzigen Hotel, dem Schlosspark Mauerbach, kommen vor allem die Klassiker weg. Das Kurioseste, das er erlebt hatte, passierte in einem Hotel in Tirol. „Da schleppten doch glatt zwei Gäste eine Chaiselongue aus der Lobby, vor den Augen der Rezeptionisten, die dachten, das Möbelstück kommt zur Reparatur.“Wie die sündteure TV-Anlage aus dem FünfsterneHaus Reiter’s Reserve Supreme im Burgenland abtransportiert wurde, ist Gast- und Landwirt Karl Reiter heute noch unverständlich. „Wir haben die Rezeption ja 24 Stunden besetzt und auch einen Nachtportier. Keine Ahnung, wie die Anlage unerkannt weggebracht wurde“, wundert er sich und ergänzt: „Es wird eigentlich alles gestohlen, was nicht niet- und nagelfest ist.“
Auch was „nagelfest“ist, bekommt mitunter Füße. „Zweimal sind uns teure, exklusive Duschköpfe aus den öffentlichen VIPDuschen abhanden gekommen. Das war kein Gelegenheitsdiebstahl, man braucht ja Werkzeug, um die Duschköpfe abzumontieren“, erzählt Gundula Unterweger, Gastgeberin im Fünfstern-Wellnesshotel Der Steirerhof in Bad Waltersdorf. Ansonsten aber werde nicht so extrem viel gestohlen, ja, die Sauna-Waffeltücher vielleicht – „die gehen weg wie die warmen Semmeln“–, und aus dem Damen-WC kämen regelmäßig die Spender für die Handcreme weg. Früher waren auch die Porzellanhäferln mit Aufdruck „Steirerhof“ein echter Mitnahme-Hit. „Wir konnten und wollten uns das eines Tages nicht mehr leisten und haben fast überall im Haus auf normale Häferln umgestellt. Diese will nun niemand mehr.“Mit dem Branding hat auch Gudrun Peter, geschäftsführende Gesellschafterin des Weissen Rössl am Wolfgangsee, größtenteils aufgehört. „Die Stoffservietten mit den Pferden kamen in rauen Unmengen weg, an die 700 Stück im Jahr. Seit wir mit dem Branding aufgehört haben, ist es viel besser geworden.“Sehr beliebt sind aber noch immer Deko-Gegenstände, vor allem die weißen Keramikpferde haben es den Souvenirjägern angetan.
Was im Rössl die Pferde, sind im Gästehaus zum Oberjäger Schloss Lackenbach die Hirsche. „Wir haben im Badezimmer DekoHirsche aus Stein, da kommen etwa fünf bis sechs im Jahr weg. Nicht so extrem viel, aber es tut trotzdem ein bisschen weh, denn wir müssen die Hirsche immer wieder extra anfertigen lassen“, meint Gastgeberin TinaMaria Morawitz. Weniger weh tun die vier bis fünf kleinen, wirklich scharfen Messer, die monatlich aus der Küche verschwinden.