Fahrstühle, die miteinander sprechen
Aufzugstechnik. Mit der Digitalisierung tun sich ganz neue Perspektiven bei Automatisierung und Wartung auf.
Ein Lift, der den Fahrgast erkennt, ihn ohne Knopfdruck ins gewünschte Stockwerk bringt und während der Fahrt mit personalisierten Informationen versorgt – das ist keine Zukunftsvision, sondern bereits Realität. Dank der zunehmenden Digitalisierung, an der auch die Aufzugsbranche nicht vorbeikommt. Am neuen Wiener Krankenhaus Nord legt man noch eins drauf: „Unsere Fahrstühle unterstützen das fahrerlose Transportsystem des Spitals, indem sie beispielsweise anhand von Protokollen ,wissen‘, wann weniger Menschen im Haus unterwegs sind, sodass sie diese Zeiten für Sachtransporte freigeben und auch unterscheiden, ob es sich dabei etwa um Essen für die Patienten, um Wäsche oder um Müll handelt, wobei alles automatisch in die richtige Etage zugestellt wird“, erzählt die Sprecherin des Wiener Krankenanstaltenverbundes Birgit Wachet. Mit insgesamt 56 Aufzügen, die untereinander sowie mit den Transportwagen kommunizieren, ist das System am Krankenhaus Nord derzeit eine jener Fahrstuhlanlagen Österreichs, die die Möglichkeiten von Digitalisierung und künstlicher Intelligenz schon sehr weit ausreizen. Installiert wurde das System vom Hersteller Otis, dessen Marketingdirektor, Christoph Sengstschmid, von einer umfassenden „Technologisierung“der Branche spricht.
Den größeren Kontext betont auch Christian Wukovits, Geschäftsführer von Kone Österreich. Sein Unternehmen fokussiert sich insbesondere auf Transportsysteme im Wohnbau sowie in Einkaufszentren: „Die Urbanisierung zwingt uns, den Bewegungsfluss der Menschen in den Städten optimal zu steuern. Da immer mehr in die Höhe gebaut wird, fällt Aufzügen eine wichtige Rolle zu – wobei es da auch um deren Integration in das gesamte Gebäudemanagement im Sinne von Smart Buildings geht, mithilfe des Internets der Dinge und integrierter Konnektivität.“Kone hat dafür unter anderem eine offene Schnittstelle entwickelt, an der andere Systeme wie Lichtsteuerung, Heizung und andere Haustechnik andocken können.
Ein zentrales Anliegen der großen Hersteller ist die vorausschauende Wartung der Liftanlagen. Sie haben dafür jeweils eigene Systeme entwickelt. Hyun-Shin Cho, Leiter der Abteilung Digitale Transformation beim Hersteller Thyssenkrupp Elevator: „Ziel ist es, wichtige Teile zu tauschen, noch bevor sie kaputtgehen, damit Aufzüge nicht ausfallen und es zu Stillstandzeiten kommt.“Meist kommunizieren mit Sensorik ausgerüstete Bauteile dabei mit einer Cloud und melden laufend ihren Zustand. Andere lesen spezielle Parameter aus, was ebenfalls Vorhersagen über den künftigen Status des Systems erlaubt, sodass schon bei kleinsten Unregelmäßigkeiten ein Ableiten von erforderlichen Servicemaßnahmen möglich ist. „Das dient nicht zuletzt der Sicherheit“, betont Christoph Sengstschmid von Otis. Immerhin verweigern laut einer aktuellen Umfrage rund zwei Prozent der Österreicher Liftfahrten – vor allem, weil sie Angst vor Defekten wie etwa einem Steckenbleiben haben.
Sind Wartungsarbeiten nötig, kommt einmal mehr digitale Technologie zum Einsatz: Servicemitarbeiter bekommen während ihres Einsatzes vor Ort über Mixed-Reality-Brillen Informationen eingeblendet und können damit zielgerichteter agieren. In Österreich sei ein solches System aber noch nicht im Einsatz, weiß man bei Thyssenkrupp Elevator. Besonders gefährliche Aufgaben wie das
Vermessen eines Aufzugsschachtes werden von Robotern übernommen. „Und damit stets das passende Ersatzteil dabei ist, ,spricht‘ der intelligente Aufzug in Zukunft mit dem intelligenten Ersatzteillager“, sagt Ivo Siebers, bei Thyssenkrupp Elevator verantwortlich für die globale Logistik. „Die effizientere Planung und höhere Geschwindigkeit verbessert die Lieferkette entscheidend.“
Ebenfalls ein großes Thema ist die Umweltverträglichkeit. „Neben der Entwicklung energieeffizienterer Antriebe steht die Erstellung von Algorithmen im Vordergrund, um beispielsweise die Zahl der Leerfahrten zu minimieren“, erklärt Christian Wukovits. Mit dem technologischen Fortschritt ändere sich auch das Anforderungsprofil an neue Mitarbeiter. „Es wird Spezialisten in den Unternehmen brauchen, die Softwarelösungen entwickeln sowie Kooperationen mit IT-Firmen“, betont der Experte. Womit das Thema Datensicherheit auf das Tapet kommt. „Der Umgang mit personenbezogenen Informationen, wie zum Beispiel die Erfassung von Bewegungsdaten, wird besonders zu beachten sein“, gibt Stefan Haas, CEO des TÜV Austria, zu bedenken. Technisch machbar sei fast alles, betonen die Experten. Die Frage der Umsetzung hänge aber in der Aufzugsbranche wie anderswo letztlich von der Akzeptanz der Nutzer ab.