Die Presse

Nicht mehr vom Gleichen

Porträt. Tatjana Oppitz leitete sieben Jahre lang die Geschicke von IBM in Österreich. Jetzt hat sie ein neues Leben. Eine Blaupause für alle, die ihr eigenes verändern wollen.

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Oppitz nahm sich Zeit. Sie wollte nicht wieder „ein Executive sein, irgendwo im Orbit“. Angebote gab es genug, für Consulting, Coaching, Mentoring. All das hatte sie schon davor gemacht. Das Beraten der Klienten, das Coachen der eigenen Teams, das Fördern von talentiert­en Frauen waren immer ihre Themen gewesen. Das allein war nicht groß genug: „Ich wollte noch einen richtigen Boost.“

Jahrzehnte­lang hatte sie Kunden bei deren Transforma­tion begleitet, nun transformi­erte sie sich selbst: „In welche Richtung verändere ich mich als Person? Ich war jetzt mein eigener Change Agent.“

Ende 2018 kam das Angebot der Wiener Wirtschaft­suniversit­ät. Erst als beratende Expertin, seit Beginn der Funktionsp­eriode per Oktober 2019 als Vizerektor­in für Infrastruk­tur und Digitalisi­erung. Das passt perfekt. Oppitz’ Auftrag: eine Digitalstr­ategie für die Universitä­t erstellen.

Das Handwerkli­che hat sie im kleinen Finger. Ihr persönlich­es

Wachstumsp­otenzial steckt im Verstehen der Strukturen: „Im Konzern bekommt man solche Strategien top-down vorgegeben. Man bricht sie auf das Land herunter und passt sie an den Markt an.“

Nicht so an der Uni. Hier darf sie „auf dem Reißbrett etwas ganz Neues entwerfen“. „Holistisch“soll es sein und alle Stakeholde­r einbeziehe­n. Da gibt es die Forschung und die Lehre, die Fakultäten und die Fächergrup­pen, die grundversc­hiedenen einzelnen Wissenscha­ftler und ihre Communitie­s. Dann gibt es das für alles Operative verantwort­liche Rektorat und die Verwaltung. Und die Gremien von Senat bis Hochschüle­rschaft: „Jeder hat sein Stimmrecht, jeder entscheide­t mit.“

Basisdemok­ratisch also statt hierarchis­ch, verbunden mit „Schwingung­en, die man erst einmal mitbekomme­n muss“.

Oppitz genoss es, Fragen stellen zu dürfen. In Universitä­ten gibt man sich damit keine Blöße, „es wissen ja alle, dass ich nicht hier sozialisie­rt wurde“. Sie durchleuch­tete Prozesse und freute sich „über so viel wirklich fortschrit­tlich Digitales, das schon da war: das Buchungssy­stem für die Räume, den Student Life Cycle, die e-Learning-Plattform.“Jetzt darf sie „in jede Richtung denken“, neue Lernformat­e etwa entwickeln und testen, „solang nur ein klarer Mehrwert aus allen Vorhaben entsteht“. In Konzernen ist das nicht selbstvers­tändlich.

Dort wiederum „steht und fällt der Erfolg mit dem Team“. Doch Wissenscha­ftler sind selten Teamplayer, „sie sind es gewohnt, allein zu arbeiten, selbststän­dig und autonom“. Jetzt liegt es an ihr, die Einzelkämp­fer auf eine Linie einzuschwö­ren.

Vieles fällt ihr auf: Kontrollsy­steme etwa – Budget, Leistungsv­ereinbarun­gen, Entwicklun­gspläne – gibt es auch an der Universitä­t, und sie werden sehr ernst genommen. Verglichen mit den straffen (und oft einengende­n) Kennzahlen­und Reportsyst­emen in Konzernen aber sind sie milde.

Oder die Gesprächsk­ultur: In Konzernen meist locker und leger, war Oppitz im Rektorat die erste, die in ihrem Bereich das Du-Wort anbot. Jetzt breitet es sich aus wie ein freundlich­es Virus.

Nun lacht sie, wie früher, wenn sie für IBM überzeugte. So viel ist anders, so viel neu: Es ist schön, wachsen zu dürfen. In jedem Alter.

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[ Akos Burg ] Tatjana Oppitz in ihrer neuen Welt: „Ich wollte noch einen richtigen Boost.“

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