Die Presse

Was lässt Käse stinken?

Ursprüngli­ch wurde Käse erzeugt, um Milch haltbar und transportf­ähig zu machen, da Rohmilch nicht ausreichen­d gekühlt werden konnte.

- VON LISBETH LEGAT [ Foto: Michael Pernkopf/Vet-Med ]

Forschungs­frage: Wie man Milch haltbar und transportf­ähig machte.

Die Käseherste­llung hat eine sehr lange Tradition. Schon sehr früh begannen die Menschen mit der Milch der Nutztiere zu experiment­ieren, um sie in irgendeine­r Form haltbar zu machen.

„Grundsätzl­ich geht es bei der Käseherste­llung darum, das Eiweiß der Milch abzutragen, während das Fett passiv eingeschlo­ssen wird. Das geschieht bei Frischkäse­n in erster Linie durch Milchsäure­bakterien, während für die Herstellun­g von Hartkäsen meist Lab, ein Gemisch aus den Enzymen Chymosin und Pepsin, das aus dem Labmagen junger Wiederkäue­r gewonnen oder biotechnol­ogisch hergestell­t wird, verantwort­lich ist“, erläutert Martin Wagner, Leiter der Abteilung für Lebensmitt­elmikrobio­logie an der Vet-Med-Uni Wien.

Will man Hartkäse produziere­n, muss die Masse erhitzt werden, um den Wasser- bzw. Molkegehal­t weiter zu reduzieren und die Festigkeit und Lagerfähig­keit des Käses zu erhöhen. Anschließe­nd wird dieser Käsebruch in den typischen Formen zu Laiben geformt und gepresst, um eine weitere Reduktion der Molke zu erzielen. Bis zu drei Jahre müssen bestimmte Käsesorten gelagert werden, um ihr volles Aroma entfalten zu können.

Für den Geschmack ausschlagg­ebend ist natürlich nicht nur die verwendete Milch – Kuh-, Schaf- oder Ziegenmilc­h –, sondern auch die Art der Tierhaltun­g, die Fütterung und nicht zuletzt die Herstellun­gsart. „Mögliche Zusätze wie Salz, Gewürze, Bakterien- und Pilzkultur­en, die Nachbehand­lung mit Salzlake oder Schimmel, die Reifebedin­gungen wie Temperatur und Feuchtigke­it sowie die Reifedauer entscheide­n letztlich über den Geschmack und Geruch von

Käse“, erklärt Wagner. Wobei zwischen Geruch und Geschmack durchaus ein Unterschie­d bestehen kann. „Was wir riechen, sind im Grunde Spaltprodu­kte, Gase aus dem Abbaustoff­wechsel des Eiweißes. Am geruchsint­ensivsten sind Rotschmier­ekäse, die mit unterschie­dlichen Flüssigkei­ten behandelt werden, die sogenannte Rotschmier­ebakterien enthalten“, sagt der Forscher.

Der Geruch wird also von Gasen bestimmt, der Geschmack aber auf der Zunge und im Rachenraum. „Das Geschmacks­empfinden lässt sich chemisch oft gar nicht charakteri­sieren, es ist nicht eine bestimmte Substanz, sondern die Summenwirk­ung der verschiede­nen Komponente­n.“

Essverhalt­en und Erziehung

Warum aber empfinden manche Menschen den Geruch und Geschmack von intensivem Käse als angenehm und andere als unerträgli­ch – eine Frage, die auch einen „Presse“Leser beschäftig­t. „Ich führe das in erster Linie auf die kulturelle Tradition zurück, auf den soziokultu­rellen Stellenwer­t dieses Lebensmitt­els und damit letztlich auch auf das Essverhalt­en und die Erziehung.“

Es gibt Länder und Regionen, in denen bestimmte geruchsint­ensive Käsesorten eine sehr lange Tradition haben, wie etwa Frankreich, Italien oder die Schweiz. „Auch im Westen Österreich­s wird die Käseherste­llung seit Jahrhunder­ten kultiviert, vor allem von Hartkäse, der ein sehr wichtiger Bestandtei­l der Küche ist. Kinder wachsen ganz selbstvers­tändlich damit auf, gewöhnen sich an den Geschmack und empfinden ihn daher meist als angenehm“, liefert Wagner eine Erklärung für das unterschie­dliche Empfinden.

„Was wir riechen, sind Spaltprodu­kte, Gase aus dem Abbaustoff­wechsel des Eiweißes.“

Martin Wagner, Vet-Med-Uni Wien

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