Neue Gebühr auf Flughafen
Streit. Der Flughafen Wien wird künftig eine Gebühr für Shopping-Touristen einheben, die die Mehrwertsteuer refundiert haben wollen. Dazu läuft gerade eine einigermaßen seltsame Ausschreibung. Der Handel ist empört.
Wien will von Touristen, die die Mehrwertsteuer refundiert haben wollen, Geld verlangen.
Die Lage ist suboptimal. In der Tourismusbranche gibt es jedenfalls einen objektiv guten Grund für Wehklagen: Touristen aus China machen sich rar. Gar nicht gut, auch nicht für den österreichischen Einzelhandel: Im vergangenen Jahr gab jeder chinesische Tourist im Schnitt 645 Euro pro Einkauf aus. Für den österreichischen Handel liegen die Chinesen damit unter den Shoppingtouristen eindeutig auf Platz eins, und unter den zehn TopShoppingnationen sind sechs asiatische Länder. Und jetzt? Für heuer schaut es da einigermaßen schlecht aus. Und wenn es nach Plan läuft, könnten die letzten kaufwilligen Touristen auch noch zusätzlich vergrault werden. Mittels einer durch und durch österreichischen Lösung: Einkaufende Touristen aus Nicht-EU-Ländern sollen zur Kasse gebeten werden.
Eine ganze Reihe von Wiener Händlern ist jedenfalls ziemlich erbost und hat dies vor wenigen Tagen in einem zweiseitigen Brief zum Ausdruck gebracht. Versendet wurde er an ÖVP-Finanzminister
Gernot Blümel, den Wiener SPÖ
Bürgermeister, Michael Ludwig, dessen Wirtschaftsstadtrat, Peter
Hanke, den Präsidenten der Wiener Wirtschaftskammer, Walter Ruck, sowie an den Vorstand des Flughafens Wien, Julian Jäger.
„Wir wollen nicht, dass der Tourist unsere Stadt mit einem bitteren Beigeschmack verlässt“, heißt es in dem Schreiben. Und, warnend: „Wir schaffen eine Hürde und ein negatives Erlebnis.“
Dieses „negative Erlebnis“soll es schon demnächst am Flughafen Wien geben. Der hat sich offenbar dazu entschlossen, in der EU eine Art Pionierrolle zu übernehmen: Schon bald sollen von Touristen aus Drittstaaten, die bei uns mehrwertsteuerfrei einkaufen dürfen, Gebühren eingehoben werden. Wenn sie, wie bisher, auf dem Flughafen ihre Formulare für jedes erworbene Produkt vorweisen, wird ihnen eine Bearbeitungsgebühr von vier bis acht Euro aufgebrummt werden. Pro Formular.
Ein gewagtes Experiment. Kleines Rechenbeispiel: Für eine Ware, die rund 100 Euro gekostet hat, bekommt ein Tourist eine Rückerstattung von rund elf Euro – da werden also schon Gebühren abgezogen. Alleweil. In Hinkunft muss aber für das Formular, mit dem auf dem Flughafen die Ausfuhr besagter Ware bestätigt wird, eine Gebühr von vier bis acht Euro bezahlt werden. Womit die tatsächliche Rückerstattung doch einigermaßen zusammengestutzt wird. Vor allem für Multi-Shopper, die da und dort Beträge von bis zu 200 Euro ausgeben, wird sich das sogenannte Tax Free Shopping in Österreich künftig eher nicht mehr auszahlen.
Ob da Touristen, die auch auf Shopping aus sind, nicht einen großen Bogen um Österreich machen werden? Alternativen gäbe es in Europa ja genügend. Wiener Händler befürchten das Schlimmste. Etwa Marie-Beatrice
Fröhlich, Geschäftsführerin des Modehandels Brieftaube: „Wir verdanken rund ein Viertel unseres Jahresumsatzes dem ShoppingTourismus“, sagt sie, „bei Juwelieren beispielsweise ist der Anteil noch viel höher.“Vor allem Händler der Wiener Innenstadt seien auf den Tourismus enorm angewiesen. Aber natürlich nicht nur die: Zum burgenländischen Designer-Outlet Parndorf werden Touristen aus Asien busweise gebracht – um eben einzukaufen.
Die geplante Gebühr wird also – formulieren wir es höflich – eine schöne Herausforderung. Originell ist sie jedenfalls. Ebenso die Hintergründe ihrer Entstehung.
Die Geschichte beginnt im April 2018. Da hat der Flughafen Wien eine Ausschreibung veranlasst – die sogenannte Validierung für den Zoll sollte digital vorgenommen werden. So weit so vernünftig: Der Finanzminister konnte Zollbeamte einsparen, der Flughafen erstmals Miete vom neuen Betreiber der Validierungskioske einstreifen. Und alle waren glücklich und zufrieden. So sehr, dass der Flughafen auch seine Prinzipien hochhalten konnte. In der damaligen Ausschreibung wurden die so formuliert: „Der Flughafen Wien ist der festen Überzeugung, dass die Gesamtattraktivität des Standortes durch zu hohe Prozesskosten für den Passagier nachhaltig beschädigt sein würde. Insofern werden die dem Passagier entstehenden Kosten als relevantes Bewertungskriterium (. . .) in den Entscheidungsprozess aufgenommen.“
Kein Wunder also, dass ein junges Start-up den Zuschlag bekam: Die Firma eValidation hatte ihre Dienstleistung ohne Entgelt angeboten. Ob man da bloß den Fuß in die Türe bekommen wollte?
Tatsache ist: Obwohl der Auftrag bis Ende 2022 ausgeschrieben worden war, wurde jetzt neuerlich ausgeschrieben. Und zwar diesmal, Prinzipien hin oder her, mit einer vorgeschriebenen Gebühr: Gemäß Punkt 10.2, Allgemeine Ausschreibungsbedingungen, soll der Preis für jeden Shopping-Touristen, der das Land verlässt, brutto zwischen vier und acht Euro liegen. Angebote außerhalb dieser Bandbreite werden offenbar ausgeschieden.
Das ist einigermaßen ungewöhnlich. Eine Ausschreibung, in der eine Mindesthöhe des zu verlangenden Preises vorgeschrieben wird, sucht sogar in Österreich ihresgleichen.
Ungewöhnlich sind auch die Fristen der Ausschreibung. Sie erfolgte am 6. Februar, Angebote können bloß bis zum 6. März übermittelt werden.
Das ist ganz schön wenig Zeit, um ein seriöses Angebot machen zu können. Zumal dafür auch eine Zertifizierung der Software nach § 2 Zoll-Touristenexport-Informatikverordnung und deren formelle Bestätigung eingeholt werden müssen. Merke: Hurtige Ausschreibungen und Amtsschimmel sind nicht unbedingt kompatibel. Jedenfalls nicht binnen vier Wochen. Zum Vergleich: Zwischen der Ausschreibung 2018 und der Aufnahme des Betriebs durch eValidation verging immerhin fast ein Jahr.
Der Flughafen Wien versteht dennoch die ganze Aufregung nicht. Es gehe bloß um eine Gebühr für nicht digitalisierte Rückerstattungsformulare, sagt ein Sprecher. Oft würden große Reisegruppen bei den Kiosken vorstellig werden – mit Formularen, die „mit beträchtlichem Zeitaufwand bearbeitet werden müssen“. Am Flughafen müssten acht Standorte in den Terminals mit einer Gesamtfläche von 400 Quadratmetern und jeweils mehreren IT-Terminals rund um die Uhr besetzt werden. Eine Neuausschreibung sei also notwendig gewesen, „um eine drohende Einstellung des Service zu verhindern“.
Und übrigens gebe es sehr wohl ein EU-Land mit einem ähnlichen Modell: Finnland.