Österreich. Sechs Erkrankte: Auch Wiener Schüler infiziert
Coronavirus. Neuer Stab im Ministerium, neuer Krisenplan und Betreuungsmodus für Kranke in Wien – und bald kommt ein neuer Test: Wie man sich auf eine Krise einstellt, die wohl Monate dauern wird.
Neue Lage: Sechs Krankheitsfälle. Neben den schon zuvor bekannten fünf Coronavirus-Infektionen in Österreich wurde am Freitag auch der Sohn eines bereits infizierten Wiener Paares positiv getestet. Bei der Tochter fiel der Test indes negativ aus, wie das Büro von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) mitteilte. Bei den Kindern handelt es sich um Jugendliche, der Sohn geht in Niederösterreich in die Schule. Die Behörden dort seien informiert worden, hieß es. Dass weitere Fälle auftreten, gilt nur als Frage der Zeit. In ganz Österreich stellt man sich auf eine Vielzahl von Testungen – und die Behandlung weiterer Erkrankter ein.
1 Wie geht es den bisher bekannten Patienten in Österreich? Und wie den Verdachtsfällen?
Stand Freitagabend wurde mit dem Schüler ein neuer Fall diagnostiziert. Dazu kommen die bekannten fünf Fälle: die Eltern des Schülers, die in Italien auf Urlaub waren. Sie befinden sich in Spitalsbehandlung, sind aber nicht schwer erkrankt. Der vierte Wiener Fall ist jener 72-jährige Mann, der schon vor der Diagnose zehn Tage in der Wiener Rudolfstiftung als Grippepatient behandelt wurde, er gilt als schwer erkrankt und wurde schon am Donnerstag in das Kaiser-FranzJosef-Spital (KFJ) verlegt. Das junge Paar in Innsbruck gilt schon seit Tagen als symptomfrei, ist aber weiterhin im Spital.
Bei den übrigen Verdachtsfällen sind die Tests negativ ausgefallen: etwa bei jenen 181 Mitarbeitern der Rudolfstiftung, die getestet wurden, nachdem sie Kontakt mit dem 72-jährigen Patienten gehabt hatten. Sie bleiben zur Sicherheit zwei Wochen in Heimquarantäne. Ebenso wie die negativ getesteten Besucher des Mannes. Wie er sich angesteckt hat, ist weiter unklar. Im Ausland war er nicht, soll aber Kontakt zu Personen gehabt haben, die sich in Italien aufhielten. „Patient null“, jener Infizierte, der das Virus nach Wien gebracht haben muss, wird also weiter gesucht.
2 Wie bewertet die Regierung die Lage, und was tut man zur Eindämmung der Ausbreitung?
Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) spricht von einer aktuell „dynamischen Entwicklung“der Situation. Um die Ausbreitung des Coronavirus in Österreich zu stoppen, hat er gemeinsam mit Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) eine Informationskampagne präsentiert, um die Bevölkerung aufzuklären. In dieser wird zur Vorbeugung zum Händewaschen mit Seife oder Desinfektionsmittel, zu Distanz (von mindestens einem Meter) zu niesenden oder hustenden Menschen, zum Meiden von Berührungen von Augen, Nase oder Mund und zu Atemhygiene bei Husten oder Niesen (Oberarm oder Taschentuch vorhalten) geraten.
Gesundheitsminister Anschober spricht von einer „Krise, die uns Monate beschäftigen“wird. In seinem Ressort habe man Abläufe auf einen länger anhaltenden Krisenmodus umgestellt. Dazu wurde – neben jenem im Innenministerium – ein weiterer, zehnköpfiger Corona-Krisenstab eingerichtet. Dazu kommen Sonderberater, etwa die führenden heimischen Wissenschaftler zum Thema. „Wir ziehen die Kompetenzen in Österreich zusammen“, betonte Anschober.
Er kündigte auch zwei Erlässe und drei Verordnungen an, damit zentrale Vorgaben verbindlich in allen Bundesländern umgesetzt werden. So soll es einen Erlass mit genauen Ablaufplänen für einen Verdachtsfall geben, im zweiten Erlass geht es um die Definition, wer als Kontaktperson einer infizierten Person gilt. Damit soll rechtskonformes Handeln sichergestellt sein.
3 In Wien sollen Corona-Patienten nun zu Hause betreut werden. Wie soll das funktionieren?
Bei einer Pandemie gibt es mehrere Phasen: Die Phase, in der mit größtem Aufwand versucht wird, die ersten Infizierten zu identifizieren – etwa, indem Rückkehrer aus betroffenen Regionen in behördlicher
Quarantäne isoliert werden – die sei nun vorbei, wie Stadtrat Peter Hacker (SPÖ) am Freitag ausführte. Nun gehe es darum, die Ausbreitung einzudämmen.
Etwa, indem Menschen, die als Verdachtsfall gelten, oder Corona-Patienten mit leichtem Krankheitsverlauf zu Hause bleiben. Die Stadt Wien hat mit der Ärztekammer einen Corona-Notfallplan ausgearbeitet, der seit Freitag, sieben Uhr früh, in Kraft ist. Zentraler Punkt ist die Ausweitung des Ärztefunkdienstes: Der steht ab sofort rund um die Uhr zur Verfügung und soll bei Verdachtsfällen Corona-Abstriche machen und die Proben ins Labor bringen.
Auch nach positiver Testung sollen Patienten mit leichtem Verlauf – das sind nach bisherigen Erfahrungen rund 80 Prozent der Infizierten – von den mobilen Ärzten zu Hause betreut werden. Von eigenmächtigen Ordinationsbesuchen wird jedenfalls dringend abgeraten: Wer sich sorgt, infiziert zu sein, soll die Hotline 1450 anrufen. Betroffene werden dann von Ärzten zu Hause aufgesucht. Das Team des Funkdienstes wird dafür deutlich aufgestockt.g 200 Wiener Ärzte hätten sich, so Är ztekammer-Chef Thomas Szekeres, dafür freiwillig gemeldet. Sollte ein Test erforderlich sein, könne ein HomeSampling-Team geschickt werden. Dieses werde speziell mit Schutzausrüstung ausgestattet, pro Tag könne dieses Team zumindest 50 Abstriche nehmen. Die Abstriche werden von der MA 15 übernommen und drei Mal täglich im Labor ausgewertet – Ergebnisse sollen also nach wenigen Stunden vorliegen. Zur Behandlung Erkrankter, die zu Hause bleiben können, soll ein eigenes Auto des Ärztefunkdienstes bereitgestellt werden – inklusive Schutzausstattung für Fahrer und Ärzte. Steigt der Bedarf, so heißt es, könnte leicht in kurzer Zeit ein zweites oder drittes Auto organisiert werden. Die Kosten der Zusatzleistungen des Ärztefunkdienstes beziffert Szekeres in der aktuellen Form mit 200 zusätzlichen Ärzten mit 200.000 Euro pro Monat. Ein Test koste 100 bis 200 Euro.
Ähnliche Programme solle es auch in den anderen Bundesländern geben. Ziel sei stets, dass Verdachtsfälle oder Patienten mit harmlosem Krankheitsverlauf zu Hause bleiben können.
4 Warum werden nicht mehr Menschen getestet – und wann sind einfachere Tests verfügbar?
Bisher wurden, Stand Freitag, knapp 800 Tests auf den neuartigen Virus in Österreich durchgeführt. Die Kapazität der Labors liege derzeit bei 1000 Testungen pro Tag, diese könne aber noch gesteigert werden. Vorerst aber würden die 1000 Testungen pro Tag völlig ausreichen. Anschober erwartet, dass am Wochenende bundesweit rund 1000 Tests durchgeführt werden.
Gesunde werden derzeit nicht getestet, auch wenn diese etwa in betroffenen Regionen in Italien waren. Das führt zwar mitunter zu Beschwerden, auch bei den Hotlines. Es sei aber sinnvoll, heißt es von der Ages, der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit, in deren Labors Tests (unter anderem) durchgeführt werden. Erstens, weil ein Test in der Inkubationszeit wenig aussagekräftig sei – er kann negativ und kurz darauf positiv ausfallen. Und, weil Massentests Gesunder die Kapazitäten übersteigen würden. In rund zwei Wochen dürften die Testverfahren aber einfacher werden: Dann sollen, so hieß es am Freitag von der Ärztekammer, kommerzielle Antikörper-Tests verfügbar sein. Die sollen einfacher und schneller Ergebnisse liefern als die aktuell verwendeten PCR-Tests (Polymerase-Kettenreaktion), bei denen das Erbgut der Viren in mehrstündigen Verfahren in Labors in den Proben aus den Atemwegen nachgewiesen werden kann.
5 In Nachbarländern werden Großveranstaltungen abgesagt. Droht das auch bei uns?
Die Schweiz hat wegen der Infektionsgefahr alle Großveranstaltungen mit mehr als 1000 Teilnehmern oder Zusehern abgesagt. Und auch in Deutschland läuft eine Debatte um Absagen – von Messen bis Bundesligaspielen. In Österreich stehen nun ebenso diverse Großveranstaltungen auf dem Prüfstand, wie Franz Lang, der Generaldirektor für Öffentliche Sicherheit, sagt. Lang kündigt „Ratschläge“für Veranstaltungen in den kommenden Tagen und Wochen durch den Einsatzstab im Innenministerium an. Sind Absagen durch Behörden geplant? Und welche Veranstaltungen könnte das betreffen? Absagen gebe es aus aktueller Sicht nicht. Als Beispiel für Großveranstaltungen führt Lang etwa den Ski-Weltcup am Wochenende in Hinterstoder an: Hier gehe es etwa um Handlungsempfehlungen für Teams, in denen Sportler, Ärzte und Betreuer sehr eng zusammenarbeiten. Oder um Empfehlungen, etwa an Fans, die gruppenweise aus bestimmten, betroffenen Regionen anreisen würden, doch bitte zu Hause zu bleiben.