Deutschland. Rezession droht
Deutschland. Wegen der Ausbreitung des Coronavirus wackelt nun auch die weltweit größte Tourismusmesse. Und erste Volkswirte warnen vor einer Rezession in Europas größter Industrienation.
Im westlichsten Westen Deutschlands, im Kreis Heinsberg an der niederländischen Grenze, legt das Coronavirus den Alltag teilweise lahm. Schulen und Kindergärteng sind geschlossen. In den Ämtern steht der Behördenverkehr still. Und Schätzungen zufolge sind tausend der 250.000 Bewohner des Kreises unter Qua
rantäne. Ein Ehepaar hat sich mit dem Coronavirus infiziert und es dann wohl auch auf einer Karnevalsfeier verbreitet.
Bis Freitagmittag stieg die Zahl der Fälle nur in Heinsberg von 20 auf 35, womit mehr als die Hälfte der rund 60 festgestellten Erkrankungen in Deutschland, dort, im westlichen Landkreis protokolliert sind. Einen weiteren regionalen Infektionsherd gab es im Südwesten. Außerdem wurde ein Fall in Hamburg bekannt, wo sich just ein Arzt in einem Kinderkrankenhaus das Coronavirus bei einem Besuch in Italien eingefangen hatte. Auch 16 Kinder, alle bis zu sechs Jahre alt, wurden deshalb im Spital mit mindestes einem Angehörigen isoliert.
Schlag für Wirtschaft in Berlin droht
Der Erreger breitet sich in Europas größter Wirtschaftsnation aus, wenn auch keineswegs so rasant wie er das in Norditalien tut. Dem Kampf gegen das Virus könnte auch die weltweit größte Tourismusmesse in Berlin geopfert werden. 10.000 Aussteller wollten sich ab nächster Woche auf der ITB rund 160.000 Besuchern präsentieren.
Die deutsche Bundesregierung drängt auf eine Absage. Die finale Entscheidung trifft jedoch das Land Berlin.
Das Robert-Koch-Institut schätzt das Ansteckungsrisiko für die Bevölkerung weiter „als gering bis mäßig“ein. Doch die Exportnation schüttelt das Virus schon. Die Angst vor einer Rezession geht um: Volkswirte der Deutschen Bank befürchten, dass die Wirtschaft heuer nicht wachsen wird. Grundlage für diese Prognose ist ein Szenario mit weltweit drei Millionen Infizierten und 30.000 Toten. Auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) sieht die Gefahr einer Rezession. Die Institution hat das Wirtschaftswachstum 2020 bisher auf mäßige 0,7 Prozent taxiert und auch das nur deshalb, weil heuer mehr gearbeitet werde, also viele Feiertage auf das Wochenende fallen.
„Im Moment trifft es am härtesten die Automobilindustrie“, sagt DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier zur „Presse“. „Absätze und Produktion in China haben einen richtigen Schlag nach unten gekriegt.“Schon im Jänner brach der PkwAbsatz um 20 Prozent ein. Der Februar dürfte noch schlimmer werden. China ist Deutschlands wichtigster Handelspartner. Es geht nicht nur um Exporte. China liefert zehn Prozent der Vorleistungen für die deutsche Produktion. „Die Kollegen haben uns gesagt: Da sind Schiffe losgefahren mit zehn Prozent der Ladung“, sagt Treier.
Aber erstens könnten diese Ausfälle teilweise kompensiert werden. Und zweitens laufen die Bänder in China wieder an. Wichtiger sei das Kundenverhalten in Deutschland und Europa. Wenn durch das Virus ein „sich selbst verstärkender Prozess auf die Nachfrage in der westlichen Welt“einsetzt, „dann hätten wir wirklich eine Wirtschaftskrise“. Aber: „So weit sind wir überhaupt noch nicht.“