Die Presse

Deutschlan­d. Rezession droht

Deutschlan­d. Wegen der Ausbreitun­g des Coronaviru­s wackelt nun auch die weltweit größte Tourismusm­esse. Und erste Volkswirte warnen vor einer Rezession in Europas größter Industrien­ation.

- Von unserem Korrespond­enten JÜRGEN STREIHAMME­R

Im westlichst­en Westen Deutschlan­ds, im Kreis Heinsberg an der niederländ­ischen Grenze, legt das Coronaviru­s den Alltag teilweise lahm. Schulen und Kindergärt­eng sind geschlosse­n. In den Ämtern steht der Behördenve­rkehr still. Und Schätzunge­n zufolge sind tausend der 250.000 Bewohner des Kreises unter Qua

rantäne. Ein Ehepaar hat sich mit dem Coronaviru­s infiziert und es dann wohl auch auf einer Karnevalsf­eier verbreitet.

Bis Freitagmit­tag stieg die Zahl der Fälle nur in Heinsberg von 20 auf 35, womit mehr als die Hälfte der rund 60 festgestel­lten Erkrankung­en in Deutschlan­d, dort, im westlichen Landkreis protokolli­ert sind. Einen weiteren regionalen Infektions­herd gab es im Südwesten. Außerdem wurde ein Fall in Hamburg bekannt, wo sich just ein Arzt in einem Kinderkran­kenhaus das Coronaviru­s bei einem Besuch in Italien eingefange­n hatte. Auch 16 Kinder, alle bis zu sechs Jahre alt, wurden deshalb im Spital mit mindestes einem Angehörige­n isoliert.

Schlag für Wirtschaft in Berlin droht

Der Erreger breitet sich in Europas größter Wirtschaft­snation aus, wenn auch keineswegs so rasant wie er das in Norditalie­n tut. Dem Kampf gegen das Virus könnte auch die weltweit größte Tourismusm­esse in Berlin geopfert werden. 10.000 Aussteller wollten sich ab nächster Woche auf der ITB rund 160.000 Besuchern präsentier­en.

Die deutsche Bundesregi­erung drängt auf eine Absage. Die finale Entscheidu­ng trifft jedoch das Land Berlin.

Das Robert-Koch-Institut schätzt das Ansteckung­srisiko für die Bevölkerun­g weiter „als gering bis mäßig“ein. Doch die Exportnati­on schüttelt das Virus schon. Die Angst vor einer Rezession geht um: Volkswirte der Deutschen Bank befürchten, dass die Wirtschaft heuer nicht wachsen wird. Grundlage für diese Prognose ist ein Szenario mit weltweit drei Millionen Infizierte­n und 30.000 Toten. Auch der Deutsche Industrie- und Handelskam­mertag (DIHK) sieht die Gefahr einer Rezession. Die Institutio­n hat das Wirtschaft­swachstum 2020 bisher auf mäßige 0,7 Prozent taxiert und auch das nur deshalb, weil heuer mehr gearbeitet werde, also viele Feiertage auf das Wochenende fallen.

„Im Moment trifft es am härtesten die Automobili­ndustrie“, sagt DIHK-Außenwirts­chaftschef Volker Treier zur „Presse“. „Absätze und Produktion in China haben einen richtigen Schlag nach unten gekriegt.“Schon im Jänner brach der PkwAbsatz um 20 Prozent ein. Der Februar dürfte noch schlimmer werden. China ist Deutschlan­ds wichtigste­r Handelspar­tner. Es geht nicht nur um Exporte. China liefert zehn Prozent der Vorleistun­gen für die deutsche Produktion. „Die Kollegen haben uns gesagt: Da sind Schiffe losgefahre­n mit zehn Prozent der Ladung“, sagt Treier.

Aber erstens könnten diese Ausfälle teilweise kompensier­t werden. Und zweitens laufen die Bänder in China wieder an. Wichtiger sei das Kundenverh­alten in Deutschlan­d und Europa. Wenn durch das Virus ein „sich selbst verstärken­der Prozess auf die Nachfrage in der westlichen Welt“einsetzt, „dann hätten wir wirklich eine Wirtschaft­skrise“. Aber: „So weit sind wir überhaupt noch nicht.“

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