Die Presse

Pharma als Gewinner, Öl als Verlierer? Es ist komplizier­ter

Um mit kleinen Einzelwert­en Geld zu verdienen, braucht man Glück. Größere Firmen kamen im Schnitt besser durch die Krise. Neben BiotechFir­men profitiere­n auch ITUnterneh­men von der Krise. Und wieder einmal Tesla.

- VON BEATE LAMMER E-Mails an: beate.lammer@diepresse.com

Blue-Chips, also Aktien von großen, breit aufgestell­ten und internatio­nal tätigen Unternehme­n, die viel gehandelt werden, gelten als relativ sicher. Die Coronakris­e zeigt aber eindrucksv­oll, dass man sich auch mit ihnen die Finger verbrennen kann: Der Dow-Jones-Wert des Flugzeughe­rstellers Boeing hat seit Jahresbegi­nn 57 Prozent verloren.

Wirklich reich werden konnte man eigentlich mit keiner der 30 Aktien im US-Leitindex. Bestperfor­mer Microsoft bringt es auf ein Kursplus von 16 Prozent. In dem Index sind allerdings einige ganz große Firmen gar nicht enthalten, weil ihr Aktienkurs zu hoch ist, etwa Amazon und Google. Wäre Amazon im Dow Jones, hätte sich die Aktie mit einem Anstieg von einem Drittel an die Spitze gesetzt.

Trotzdem: Wer sein Vermögen mit Einzelwert­en vervielfac­hen wollte, musste schon zu kleineren Firmen greifen. Solche finden sich etwa im Russell-2000-Index. Dieser enthält unter den 3000 größten US-Firmen die 2000 kleineren. Und hier stößt man auf einige mit eindrucksv­oller Kursentwic­klung. Bestperfor­mer Novavax, ein Biotech-Unternehme­n, das an einem Corona-Impfstoff arbeitet, bringt es seit Jahresbegi­nn auf eine Verzwölffa­chung, der Aktienkurs des Essenszust­ellers Waitr hat sich versiebenf­acht. (Beide Firmen sind von einem Rekordhoch allerdings weit entfernt.) Auf den Plätzen drei bis zehn folgen allesamt Unternehme­n aus dem Gesundheit­sbereich (Biotech, Pharma, medizinisc­he Geräte).

Freilich: Der Erfolg kleiner Pharmaunte­rnehmen hängt häufig nur an einem oder wenigen Wirkstoffe­n. Wenn diese floppen, stürzt der Kurs stärker ab als bei großen Unternehme­n, die mehrere Eisen im Feuer haben. Unter den kleinen Biotech-Firmen die richtigen zu erwischen ist letztlich Glückssach­e. Zudem haben zu Jahresbegi­nn wohl nur wenige Anleger erahnt, wie stark sich die Coronakris­e zuspitzen würde, die damals auf Wuhan beschränkt schien.

Ebenfalls nicht vorhersehb­ar war das Ausmaß des Ölpreisabs­turzes. Kleine Firmen aus diesem Sektor dominieren nun das untere Ende des Kurszettel­s im Russell 2000. Mit Seacor Marine, das Transportl­ösungen für die Ölindustri­e zur Verfügung stellt, oder mit dem Offshore-Ölunterneh­men Pacific Drilling verlor man seit Jahresbegi­nn fast 90 Prozent.

Mit breiter Streuung konnte man zwar vermeiden, jetzt nur auf Ölfirmen zu sitzen. Doch auch im Schnitt sind die größeren Firmen besser durch die Krise gekommen als die kleinen. Der Russell 1000, der die Wertentwic­klung der 1000 größten US-Werte widerspieg­elt, hat seit Jahresbegi­nn nur neun Prozent verloren, während der Kleinwerte-Index Russell 2000 um 20 Prozent nachgab. Auch auf Fünf- und Zehnjahres­sicht schlugen sich die großen Werte besser als die kleinen.

Binnen weniger Monate verzwölffa­chen oder auch nur versiebenf­achen konnte sich zwar keiner der großen Titel. Doch gibt es einige, die sich seit Jahresbegi­nn (fast) verdoppeln konnten. Ein Blick auf die besten und schlechtes­ten Titel bietet ein differenzi­erteres Bild, welche Branchen unter der Krise besonders leiden (Ölfirmen, Immobilien­firmen und Kreuzfahrt­Anbieter) und welche profitiere­n.

Neben Biotechfir­men – Bestperfor­mer ist Moderna mit einem Plus von 242 Prozent – sind das Softwareko­nzerne wie Twilio und Bill.com, die vom Home-Office-Trend profitiere­n, sowie Firmen, die nach Meinung der Marktteiln­ehmer aus einem veränderte­n Konsumverh­alten Nutzen ziehen könnten: Auf Platz zwei liegt E-Autobauer Tesla mit einer Fast-Verdoppelu­ng, auf Platz fünf der Fleischers­atzHerstel­ler Beyond Meat. Beide Werte gelten schon lang als gehypt. Zumindest konnte die Krise der Begeisteru­ng der Anleger keinen Abbruch tun.

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