In Wien mit Maske, in Klagenfurt ohne?
Die Corona-Maßnahmen könnten bald je nach Region unterschiedlich sein.
Wenn man die Konfliktlinien in Österreichs Spitzenpolitik etwas vereinfacht nachzeichnen möchte, dann verlaufen sie für gewöhnlich in zwei Richtungen: Entweder die Debatten finden zwischen den Parteien statt. Oder den politischen Ebenen, zum Beispiel beim Konflikt Bund versus Land. Um gegen die Regierung in Wien stärker aufzutreten, gibt es auch die Landeshauptleutekonferenz, ein Zusammenschluss aller Landeschefs.
Am Montag zeigte sich aber, wie unterschiedlich die Positionen bei einer zentralen Frage in der Coronakrise sind, unabhängig von Partei und Ebene: Soll es in den Bundesländern unterschiedlich strenge bzw. lockere Maßnahmen geben – je nachdem, wie verbreitet das Virus ist?
Ein lautstarker Befürworter ist Kärntens Landeshauptmann, Peter Kaiser (SPÖ). Schon im März habe er im Bundeskanzleramt für seine Idee geworben: Die Maßnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus sollten nicht österreichweit gleich sein, sondern regional unterschiedlich gehandhabt werden.
Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) reagierte darauf zwar nicht enthusiastisch, aber auch nicht ablehnend. Am Montag waren Kurz und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) bei einer Telefonkonferenz der Landeshauptleute zu Gast, um über dieses Thema zu sprechen. Kurz’ Fazit: „Wir haben das zur Kenntnis genommen, wir respektieren das.“
Kaiser soll nun gemeinsam mit dem aktuellen Vorsitzenden der Landeshauptleutekonferenz, Oberösterreichs Thomas Stelzer (ÖVP), erste Vorschläge erarbeiten. So soll geklärt werden, nach welchen Kriterien über eine Regionalisierung der Maßnahmen entschieden werden könnte. Dann sollen sich die Landeschefs in der Landeshauptleutekonferenz abstimmen – und mit der Bundesregierung diskutieren.
Kaiser und Stelzer planen nun
Das klingt danach, als könnten noch Wochen bis zu einem Ergebnis vergehen. Doch Kaiser will keine Zeit verlieren: Nach der Telefonkonferenz berief er eine spontane Pressekonferenz ein, um schon seinen Teil der Vorschläge zu präsentieren. Denn in seinem Bundesland würden die Zahlen sehr gut aussehen. Seit 20 Tagen gab es immerhin keine Neuinfektion, offiziell sind derzeit nur zwei Personen in Kärnten an Corona erkrankt.
Kaiser möchte nun mit Epidemiologen und anderen Experten über seine Vorstellungen sprechen: Die Maskenpflicht sollte für weniger Bereiche im Dienstleistungssektor gelten. Die Teilnehmerzahl von Begräbnissen könnte erhöht werden. Der Turnunterricht könnte wieder stattfinden, wenn auch im Freien. Auch anderer Mannschaftssport sollte zum Teil wieder erlaubt sein, genauso wie Proben von Bläsern und anderen Musikgruppen.
Nicht überall sieht man den Vorstoß positiv. Wiens Bürgermeister, Michael Ludwig (SPÖ), reagierte sogar dezent genervt darauf: Es brauche ein gutes Konzept, „das ich heute noch nicht kenne“, sagte er. In absoluten Zahlen hat die Bundeshauptstadt die meisten aktuell Erkrankten (derzeit 435), pro Kopf gerechnet liegt liegt die Stadt aber nicht auf Platz eins.
Auch in anderen Ländern ist man noch misstrauisch. Viele befürchten, die Regelungen würden unterschiedlich interpretiert werden. Oder sie könnten zu einem Wettbewerb zwischen den Bundesländern führen. In Tirol gibt man sich abwartend, betont aber, dass „alle Schritte auf Basis aktueller Gesundheitsdaten gesetzt werden sollen“. In Salzburg ist man „eher zurückhaltend“. „Einheitliche Maßnahmen haben uns bisher gut durch die Krise gebracht“, heißt es dort. Die Steiermark will genauere Vorschläge abwarten, genauso wie Niederösterreich. „Klar ist, dass es in einem ersten Schritt bundeseinheitliche Kriterien braucht“, lässt Landeshauptfrau Johanna MiklLeitner (ÖVP) ausrichten.
In Vorarlberg ist man optimistischer: „Der Landeshauptmann hält es für richtig, dass ein Weg eingeschlagen wird, der regionale Lockerungsmaßnahmen vorsieht“, heißt es aus dem Büro von Markus Wallner (ÖVP). Auch das Burgenland begrüßt die Pläne – betont aber, dass eine akkordierte Vorgangsweise unerlässlich sei.
Eine Milliarde an Zuschüssen
Über die Lockerungen wollten Kurz, Kogler und Stelzer am Montag in erster Linie nicht sprechen. Sie präsentierten gemeinsam ein Hilfspaket für Städte und Gemeinden: Der Bund stellt bis Ende 2021 eine Milliarde Euro an Investitionszuschüssen zur Verfügung. Die Aufteilung auf Gemeinden erfolgt nach einem komplizierten Schlüssel, der sich an der Einwohnerzahl orientiert. Wien bekommt 238 Millionen. Mindestens 20 Prozent der Mittel sollen für ökologische Projekte verwendet werden.