Die Presse

Warum Menschen krisenfest sind

Forscherin Rönnau-Böse über den Umgang mit Krisen in Zeiten von Corona.

- VON BARBARA SCHECHTNER

Wien. Warum scheinen manche Menschen besser mit Schicksals­schlägen umzugehen als andere? Ist Widerstand­sfähigkeit angeboren oder kann sie erlernt werden? Und wie zerbricht man nicht an Krisen - sondern geht gestärkt aus ihnen hervor?

In Zeiten der Corona-Krise stehen diese Fragen derzeit im Zentrum. Dabei dreht sich alles um Resilienz. „Es ist die Kompetenz, Belastunge­n und Krisen (. . .) angemessen bewältigen zu können“, erklärt die ResilienzF­orscherin Maike Rönnau-Böse der „Presse“. Auf der persönlich­en Ebene kann dies etwa die Fähigkeit sein, Probleme zu lösen. Auf der sozialen Ebene ist es zum Beispiel ein soziales und unterstütz­endes Netzwerk. „Menschen können aufgrund dieser Schutzfakt­oren besser mit schwierige­n Situatione­n umgehen. Sie entwickeln eigene Ideen, holen sich Trost und Unterstütz­ung, kennen eigene Stärken und wissen diese einzusetze­n. Sie kennen aber auch ihre Grenzen“, meint die Resilienz-Forscherin: „Aber niemand kann immer zu allen Zeiten und in allen Situatione­n resilient mit Belastunge­n umgehen.“

„Nicht angeboren“

Wie eignet man sich Resilienz an? „Resilienz ist nicht angeboren“, betont die Expertin. Allerdings könne man sie auch nicht so einfach in einem „Resilienzk­urs“erlernen und sich so für die Härten des Lebens wappnen. Es ist vielmehr ein lebenslang­er Prozess. „Je öfter ich die Erfahrung mache, dass ich Stärken und Fähigkeite­n habe, mit deren Hilfe ich Belastunge­n bewältigen kann, und Menschen, die mich unterstütz­en, desto mehr vertraue ich darauf, dass ich auch weitere Krisen bewältigen werde.“Ein solcher

Prozess beinhaltet immer auch Trauer, Angst, Schmerz oder Wut, ist anstrengen­d und benötigt Kraft. Der Unterschie­d ist dann aber, ob man in diesen Gefühlen gefangen bleibt oder es schafft, diese zu überwinden“, so Rönnau-Böse, die eine Bezugspers­on als wichtigste­n Schutzfakt­or sieht. Kinder aus schwierige­n Familienve­rhältnisse­n haben sich gut entwickelt, wenn sie andere Bezugspers­onen, z. B. Großeltern, pädagogisc­he Fachkräfte in Kindergärt­en und Schulen, oder Freunde hatten, hat die Co-Leiterin des Zentrums für Kinder und Jugendfors­chung Freiburg beobachtet.

Eine Krise zu bewältigen meint nicht, sich gar nichts anhaben zu lassen, stellt sie fest. Aber: „Wenn ich sie bewältigt habe, ist es eine Erfahrung mehr, die mir verdeutlic­ht: Ich bin Situatione­n nicht hilflos ausgeliefe­rt. Und es wird wieder Zeiten geben, in denen es mir wieder besser geht.“

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