Jam-Session für bildende Kunst
Wien. Das Künstlerhaus sperrt wieder auf: Dessen Factory soll mit dem neuen Format „Kubus“zum Treffpunkt für Mitglieder und Interessierte werden.
Die Factory im Künstlerhaus soll mit dem Format „Kubus“zum Treffpunkt werden.
ein, sagt Barbis Ruder, live werde es ihre Performance leider nicht geben. Für ihren „Down dog“, die Yogapose des herabschauenden Hundes, müsse sie eigens trainieren. Sie brauche vier Leute, die ihr helfen, in die Orthesen, die orthopädischen Halterungen für Arme und Beine, zu kommen, die an langen Stangen befestigt sind. Und ohnehin sei das Werk auf zehn Performances limitiert – über ihr Leben gerechnet, alle paar Jahre eine.
Dafür läuft in der Factory im Wiener Künstlerhaus im Hintergrund ein Video der Performance Null, ihrer Abschlussarbeit, aufgenommen just hier im Künstlerhaus – ein Video, von dem sie gar nicht wusste, dass es existiert. Nun passt es natürlich perfekt in die Auftaktausstellung der neuen Reihe „Kubus“, die sich dem Körper widmet und der Körperlichkeit. Wie es sich anfühlt, in ihr „Yoga-Korsett“eingespannt zu sein? Zunächst „einfach Panikbekämpfung“, sagt Ruder. „Weil man wirklich nicht hinauskommt. Gleichzeitig kann man sich mit Atem beruhigen. Und wenn man sich in diese unangenehme Situation hinein entspannt, dann geht’s.“
Wie zur Zeit passend die Auswahl ihres Werks letztlich sein würde, konnte freilich niemand ahnen. Am 20. März hätte die neue Reihe „Kubus“in der Factory eröffnen sollen – jenem neuen Saal im Obergeschoß des Künstlerhauses, den es vor der Renovierung gar nicht gegeben hatte. Über dem
Plastikersaal gelegen, ist er von der Bösendorferstraße bei Bedarf auch dann zugänglich, wenn das restliche Haus geschlossen ist. Nun war freilich wochenlang überhaupt alles zu – und die Schau zum Thema Körperlichkeit und Wahrnehmung gewann ungeahnt an Aktualität. Auch ihr sei klargeworden, sagt Künstlerin Lena Knilli, wie sehr wir Körperlichkeit brauchen, „und wie sehr sie uns fehlt, wenn man nur über Zoom kommuniziert“. Allein, seit ein paar Tagen wieder ins Künstlerhaus zu dürfen, am Aufbau der (echten) Arbeiten zu werken – „wenn ich hier herausgehe, bin ich völlig euphorisiert“.
Werke im Schneeballsystem
Knilli bildet mit Anke Armandi und Maria Grün, alle Mitglieder der Künstlerhauses, jenes Trio, das die neue Reihe „Kubus“verantwortet. Das Format funktioniert so, dass die Kuratorinnen zu einem Thema Werke präsentieren. In einem Open Call sind dann Interessierte eingeladen, dazu passende Kunstwerke vorzuschlagen, aus denen die Kuratorinnen wiederum auswählen – an einem Diskussionsabend werden die Neuzugänge vorgestellt und sind fortan Teil der Ausstellung (wie auch das auf Video aufgezeichnete Gespräch dazu).
Der Wunsch nach Austausch sei eines der Anliegen der Mitglieder der Künstlerhaus-Vereinigung gewesen, sagt Knilli, auch, „weil auch unterschiedliche Generationen vertreten sind“. Es gehe darum, „herauszufinden, wie die eigenen Kollegen denken, wie sie die Kunstwelt betrachten“, sagt Anke Armandi, die als Malerin selbst Ateliers anderer Künstler porträtiert. Der modern ausgestattete 200-Quadratmeter-Raum soll nun die Bühne für diesen Austausch bilden.
Es gebe klar Bedarf nach etwas, „das nicht nur theoretisch ist“, glaubt auch Maria Grün: „eine Art Jam-Session der bildenden Kunst“. Sie hofft auf einen „Schneeballeffekt“– und sie sehe das „überhaupt nicht Künstlerhaus-intern. Das ist einfach eine Möglichkeit, einzureichen und einen neuen Raum zu bespielen. Ich fände es spannend, wenn von überall her Reak
tionen kämen, sich Leute vernetzen und Kooperationen entstehen.“
Grün ist diesmal auch selbst mit Arbeiten vertreten. Lang hat sie sich mit Organen beschäftigt, einem Magen, einer Lunge, dem (auch das aktuell) Prozess der Atmung an sich. Zu sehen ist nun aber eine weibliche Brust, aus der Wasser tropft. Man darf gespannt sein, was noch dazukommt.