Die Presse

Europa erstickt an krankem Holz

Rohstoff. Zu viel Holz und zu viel Konkurrenz: Die Bundesfors­te verdienen ihr Geld nicht mehr mit Bäumen, sondern mit Immobilien. Der Staat will die Industrie zum Kauf heimischer Hölzer zwingen.

- VON MATTHIAS AUER

Zu viel Holz, zu viel Konkurrenz. Der Staat will die Industrie zu heimischem Holz zwingen.

Wien. Nicht nur im Waldvierte­l ist der Borkenkäfe­r Staatsfein­d Nummer eins für die Forstwirte. Auch in Tschechien, Deutschlan­d und Italien fraß sich der Schädling im Vorjahr durch die Wälder und flutete den Markt in Mitteleuro­pa mit 120 Millionen Festmetern Schadholz. Das vier Mal so viel wie noch zwei Jahre zuvor – und deutlich mehr als planmäßig hätte geerntet werden sollen. Die Folge des Überangebo­ts: Der Preis für einen Festmeter Rundholz sank seit 2014 um ein Viertel auf 49 Euro.

Anders als auf dem Ölmarkt können die Forstwirte nicht einfach das Angebot kappen, um den Preis zu stützen. Kranke Bäume müssen aus dem Wald geholt werden, sonst breitet sich der Käfer weiter aus. Und weil es den Nachbarn nicht besser geht, strömt zudem Importholz zu Schleuderp­reisen nach Österreich. Die heimischen Forstbetri­ebe bleiben hingegen auf ihrem Holz sitzen. Nun will der Gesetzgebe­r Abhilfe schaffen.

Der Wald als Verlustbri­nger

Wie eng es für die Waldbauern inzwischen ist, lässt sich gut an der aktuellen Bilanz der staatliche­n Bundesfors­te ablesen. Die Kosten für die Anpassung der Wälder an den Klimawande­l haben sich im Vorjahr auf über 42 Millionen Euro verdoppelt. Der Betriebsge­winn des größten Forstbetri­ebs halbierte sich indes auf 13,2 Millionen Euro.

Dass sich – anders als in den Nachbarlän­dern – überhaupt noch ein Plus ausgegange­n ist, haben die Forstwirte ihren „Nebengesch­äften“zu verdanken. Die Sparte „Forst und Holz“brachte 2019 einen Verlust von 15,9 Millionen Euro. Nur fünf Jahre vorher lieferte das Kerngeschä­ft des Unternehme­ns noch das halbe Betriebser­gebnis. „Dass wir uns die Waldbewirt­schaftung leisten konnten, liegt an anderen Geschäftsz­weigen“, sagt Rudolf Freidhager, Vorstandss­precher der Bundesfors­te.

Sechs Millionen Euro steuerte die Sparte Energie mit dem Biomassekr­aftwerk Simmering und vielen kleinen Wasser- und Windkraftw­erken bei. Noch viel wichtiger waren die Einnahmen aus der Vermietung und Verpachtun­g. Mit 850.000 Hektar Land, darunter auch 74 Seen, sind die Bundesfors­te der mit Abstand größte Grundeigen­tümer des Landes. Der Staatsbetr­ieb vergibt Baurechtsu­nd Baupachtve­rträge und forciert die Entwicklun­g von Wohn- und Bürobauten. In Summe brachte das Immobilien­geschäft ein Plus von 22 Millionen Euro.

Im Kerngeschä­ft Wald gibt es hingegen kaum Aussicht auf Besserung. Der Klimawande­l zwingt die Forstbetri­ebe zu einem teuren Umbau der Wälder. Statt Fichten, die besonders anfällig für den Borkenkäfe­r sind, müssen Lärchen,

Tannen, Eichen und Buchen gesetzt werden. Vorläufige Kosten bis 2025: Hundert Millionen Euro.

Streit um Billigimpo­rte

Gleichzeit­ig bleibt der Preisdruck hoch. Auch heuer dürften in Mitteleuro­pa wieder mehr als hundert Millionen Festmeter Schadholz anfallen. Zudem sorgt die CoronaFlau­te für einen Einbruch der Nachfrage in der Säge- und Papierindu­strie. Und dann bleibt immer noch das Problem mit den Nachbarn: Aus manchen Ländern komme Holz um weniger als zehn Euro je Festmeter nach Österreich, ärgert sich Freidhager. „Hier wird Holz verschenkt.“In den vergangene­n Wochen haben die Billigimpo­rte immer wieder für Streit zwischen Industrie und Forstwirte­n gesorgt. Die Papier- und Sägewerke haben versproche­n, mehr heimisches Holz zu kaufen. Dennoch legt der Gesetzgebe­r nach.

Das Landwirtsc­haftsminis­terium hat eine Verordnung ausarbeite­n lassen, die eine „zeitlich befristete Abnahmever­pflichtung holzverarb­eitender Betriebe von Schadholz aus der Region“vorsieht. Heimische Betriebe müssten dann Holz aus der unmittelba­ren Umgebung (und somit meist aus dem Inland) zukaufen. „Wir freuen uns über jede Unterstütz­ung“, kommentier­te Freidhager knapp. Auch die Dividende an die Republik, die im Vorjahr noch sieben Millionen Euro ausgemacht hatte, werde heuer ausfallen. Sein größter Wunsch an die Regierung ist dennoch ein anderer: Österreich solle „mithelfen, dass das Pariser Klimaabkom­men umgesetzt wird.“Nur dann habe der Wald in Österreich langfristi­g eine Chance.

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[ Reuters ] 120 Millionen Festmeter Schadholz aus Mitteleuro­pa haben den Holzpreis im Vorjahr einbrechen lassen.

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