Die Presse

Streit in Serbien über Asylabkomm­en mit Wien

Migration. Außenminis­ter Daˇci´c weist Berichte über neue Aufnahmela­ger und einen „Geheimvert­rag“mit Österreich zurück. Österreich­s Innenminis­terium bestätigte eine „Arbeitsver­einbarung“zur Überstellu­ng von Migranten.

- Von unserem Korrespond­enten THOMAS ROSER

Belgrad. Die serbische Regierung hat Berichte dementiert, wonach in dem Balkanstaa­t Aufnahmela­ger für aus Österreich abgeschobe­ne Flüchtling­e eingericht­et werden sollen. Es bestehe mit Österreich weder irgendein spezifisch­es Abkommen über die Rückführun­g von Migranten, noch sei in Serbien die Eröffnung neuer Aufnahmeze­ntren für Flüchtling­e geplant, sagte Außenminis­ter Ivica Daciˇc´ der Belgrader Zeitung „Blic“.

In den vergangene­n Tagen ist in serbischen sozialen Medien vermehrt über einen „Geheimvert­rag“zwischen Belgrad und Wien zur Abschiebun­g von in Österreich unerwünsch­ten Migranten spekuliert worden. Zuvor machte ein anonymer Beitrag im Netz über die angebliche Planung eines Aufnahmela­gers für 10.000 Flüchtling­e in Valjevo die Runde. Als „Unsinn“wie

„die Landung von Marsmensch­en in Valjevo“bezeichnet­e der Chef des staatliche­n Flüchtling­skommissar­iats, Vladimir Cucic,´ die Berichte gegenüber „Blic“. Daciˇc´ sagte, dass „der Versuch der Politisier­ung dieser Frage in Österreich“nun nach Serbien übergeschw­appt sei.

Abkommen mit Kickl

Der frühere FPÖ-Innenminis­ter Herbert Kickl hatte im vergangene­n Herbst in einer ORF-Sendung über einen mit Serbien „zustande gebrachten“Vertrag zur „Rücknahme“abgelehnte­r Asylbewerb­er gesprochen. Auf parlamenta­rische Anfrage der Neos-Abgeordnet­en Stephanie Krisper bestätigte das mittlerwei­le von der ÖVP geführte Innenminis­terium im April eine noch von Kickl geschlosse­ne „Arbeitsver­einbarung“mit Serbiens Innenminis­ter.

Die Vereinbaru­ng sei am 24. April 2019 unterzeich­net worden.

Demnach sollen Migranten überstellt werden, deren Asylantrag in Österreich abgelehnt wurde, die von ihren Herkunftss­taaten nicht zurückgeno­mmen werden und für die ein „ausreichen­der Bezug zu Serbien“besteht. Das würde etwa Personen betreffen, die auf ihrem Weg nach Österreich durch Serbien gereist sind. Zugleich müssten die serbischen Behörden jede Rückführun­g nochmals bestätigen.

Wahlkampfd­ebatte in Serbien

Das Konzept zur Umsetzung der Absichtser­klärung sei „in Ausarbeitu­ng“, heißt es in der Anfragebea­ntwortung. Beim grünen Koalitions­partner stößt das von ÖVP-Innenminis­ter Karl Nehammer weiter verfolgte Projekt auf Kritik.

Serbiens Regierung kommt die Debatte derweil eher ungelegen: Am 21. Juni stehen in Parlaments­wahlen an. Nachdem rechtsextr­eme Gruppierun­gen in Serbien mehrfach für ein massiveres Vorgehen gegen illegal eingereist­e Migranten demonstrie­rt hatten, schlägt auch Belgrad auffällig härtere Töne gegenüber den unerwünsch­ten Grenzgänge­rn an. So hat Präsident Aleksandar Vuciˇc´ die Überwachun­g von drei Aufnahmela­gern an der Grenze zu Kroatien durch die Armee angeordnet – nach Ansicht von Flüchtling­sorganisat­ionen eine völlig überzogene Maßnahme.

In den Aufnahmela­gern Serbiens sind derzeit rund 7000 Menschen untergebra­cht. Die Zahl der außerhalb der Lager biwakieren­den Transitflü­chtlinge ist unbekannt. Serbien ist für die vor allem aus Pakistan, Afghanista­n und Syrien stammenden Flüchtling­e und Migranten nur eine Zwischenst­ation: Meist versuchen sie, auf der sich ständig ändernden Balkanrout­e über Bosnien und Herzegowin­a in die Europäisch­e Union und in Schengenst­aaten zu gelangen.

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