Die Presse

Neuer Gerichtsho­f: Kritik an Weber-Vorschlag

EU. EVP-Chef für Streitschl­ichtung zwischen EuGH und nationalen Gerichten. EU-Experte Obwexer ist dagegen.

- VON GERHARD BITZAN

Wien. Im Streit zwischen Deutschlan­d und der EU wegen des umstritten­en Urteils des deutschen Verfassung­sgerichtes zur Europäisch­en Zentralban­k (EZB) hat jetzt der Chef der EVP-Fraktion im EUParlamen­t, Manfred Weber, neue Ideen eingebrach­t. Weber schlug vor, ein Streitschl­ichtungsve­rfahren zwischen dem EuGH und nationalen Gerichtshö­fen einzuführe­n sowie „langfristi­g“einen Kompetenzg­erichtshof einzuricht­en.

Der Innsbrucke­r Experte für EU-Recht, Walter Obwexer, hält nur wenig von diesen Ideen. „Ich halte den Vorschlag von Manfred Weber, ein Streitschl­ichtungsve­rfahren einzuführe­n, unionsrech­tlich nicht für zielführen­d“, sagt er zur „Presse“.

Zum einen würde es die klare Zuständigk­eitsvertei­lung zwischen den Gerichten verwässern, zum anderen das bereits bestehende Verfahren der Zusammenar­beit zwischen dem EuGH und den nationalen Gerichten – konkret das Vorabentsc­heidungsve­rfahren – unterlaufe­n, meint Obwexer.

Mit dem EZB-Urteil hat sich Karlsruhe erstmals gegen ein Urteil des EuGH gestellt. Die EUKommissi­on prüft daher, ob es ein Vertragsve­rletzungsv­erfahren gegen Deutschlan­d einleiten soll. Aus diesem Grund hat Weber nun im ZDF ein Streitschl­ichtungsve­rfahren angeregt. „Es gab Applaus aus Polen, es gab Applaus aus Ungarn. Die politische Wirkung des Urteils ist leider Gottes für die Rechtsgeme­inschaft Europas ein großer Schaden,“begründete Weber seinen Vorschlag.

Obwexer ist dagegen der Meinung, dass es ein derartiges Streitschl­ichtungsve­rfahren gar nicht brauche. „Die Zuständigk­eiten zwischen dem EuGH und den nationalen Gerichten sind nämlich klar verteilt: der EuGH entscheide­t abschließe­nd über die Auslegung von Unionsrech­t und ausschließ­lich über die Gültigkeit von sekundärem Unionsrech­t.“

An diese Zuständigk­eitsvertei­lung müssten sich die Höchstgeri­chte der Mitgliedss­taaten ganz einfach halten, dann gäbe es auch keine zu schlichten­den Konflikt, so der Innsbrucke­r Experte.

Weber ging aber noch einen Schritt weiter und dachte „langfristi­g“daran, einen eigenständ­igen Kompetenzg­erichtshof für die EU zu errichten. Dieser solle aus nationalen Verfassung­srichtern zusammenge­setzt sein, die dann künftig über die Zuständigk­eit entscheide­n, sagt Weber. Obwexer sieht auch diese Idee kritisch: Der Vorschlag würde unter anderem zwangsläuf­ig zu Abgrenzung­sschwierig­keiten mit dem EuGH führen.

Ich halte den Weber-Vorschlag unionsrech­tlich nicht für zielführen­d.

Walter Obwexer Experte für EU-Recht

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