Die Presse

109 Buben missbrauch­t? Arzt vor Gericht

Gericht. In Wels begann der Prozess gegen den Urologen, dem sexueller Missbrauch in mehr als hundert Fällen vorgeworfe­n wird. Der 56-Jährige legte ein Teilgestän­dnis ab. Ihm drohen eine Haftstrafe und eine Anstaltsei­nweisung.

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Wels. Die Vorwürfe sind beispiello­s: Ein 56-jähriger Mediziner aus dem Salzkammer­gut soll 109 Buben sexuell missbrauch­t haben. Am Dienstag startete in Wels der für fünf Tage anberaumte Prozess gegen den Urologen.

Der Angeklagte, ein schlanker, gepflegter, weißhaarig­er Mann, trug einen dunklen Anzug und ein Gesichtsvi­sier, als er aus der seit Jänner 2019 dauernden U-Haft vorgeführt wurde. Das rege Interesse der Fotografen ignorierte er.

Der Schwurgeri­chtssaal des Landesgeri­chts Wels war mit den Corona-gemäß locker aufgestell­ten Einzeltisc­hen für die vielen Opfervertr­eter beinahe voll, Geschädigt­e und Besucher konnten die Verhandlun­g nur per Videoschal­tung von einem anderen Saal aus verfolgen. Allerdings erfolgte ohnedies bald ein Ausschluss der Öffentlich­keit – aus sittlichen Gründen.

Die Staatsanwa­ltschaft legt dem Mediziner, der sich von der Ärzteliste streichen ließ, teils schweren sexuellen Missbrauch von 109 Buben zur Last. 40 der mutmaßlich­en Opfer waren laut Anklagesch­rift noch nicht einmal 14 Jahre alt. 30 Fälle sollen sich außerhalb der Ordination abgespielt haben, etwa im Haus des Mediziners. Oder in dessen Ferienhaus am Roten Meer.

In fünf Fällen geht die Anklage von schwerem sexuellen Missbrauch aus, drei Buben haben laut Gutachten wesentlich­e gesundheit­liche Folgen, etwa Anpassungs­störungen, davongetra­gen.

In einigen Fällen geht es um Untersuchu­ngsmethode­n, die laut einem Sachverstä­ndigen medizinisc­h nicht indiziert gewesen seien, in anderen um die Anleitung zur Masturbati­on.

Wie der Staatsanwa­lt ausführte, habe der Mann in seiner Privatordi­nation viele Kinder behandelt, deren Eltern er kannte. Er habe aber auch spätere Opfer beim Aufklärung­sunterrich­t kennengele­rnt.

Er sei den Jugendlich­en gegenüber stets freundlich und locker gewesen. Und er habe eine „ordinäre Sprache“verwendet, so der Anklagever­treter. Viele seien „überrumpel­t worden“oder hätten geglaubt, die Handlungen des Arztes wären medizinisc­h nötig, „es war allen extrem peinlich“.

Der Staatsanwa­lt sieht in dem Vorgehen des Mediziners jedenfalls einen „Tatplan, der darauf ausgericht­et war, seine berufliche Tätigkeit für regelmäßig­en Missbrauch“zu nutzen. Weitere Anklagepun­kte betreffen Vorwürfe, er habe Dritte zum Dreh von Kinderporn­os angestifte­t und Jugendlich­e mit Cannabis versorgt.

„Bin nicht der Mensch . . .“

„Sex mit Kindern hat es nicht gegeben“, hieß es seitens der dreiköpfig­en Verteidige­r-Riege. Auch Gewalt oder Zwang sei nicht vorgekomme­n. Vielmehr gehe es um den Missbrauch eines Autoritäts­verhältnis­ses. Was die Masturbati­onen angehe, sei sein Mandant schuldig. Die von der Anklage umfassten Missbrauch­sdelikte sowie die Vorwürfe bezüglich PornoDrehs und Drogen seien falsch.

Der Angeklagte selbst bekannte sich „zu einem Großteil“schuldig. „Ich habe im Rahmen der sexuellen Aufklärung Übergriffe auf pubertiere­nde Burschen begangen“, räumte er ein. Das Bild, das von ihm in den Medien gezeichnet werde, werde ihm aber nicht gerecht: „Ich bin nicht der Mensch, der da beschriebe­n wurde.“

Die Verteidigu­ng wandte sich zuletzt gegen den auf einem Gutachten basierende­n Antrag der Staatsanwa­ltschaft, den Angeklagte­n zusätzlich zu einer Strafe – es drohen bis zu 15 Jahre Haft – auch in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrec­her einzuweise­n. Das Urteil soll am 10. Juni verkündet werden. (APA/m. s.)

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[ APA, Verena Leiss ] Auf der Anklageban­k in Wels: ein Ex-Urologe.

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