Die Presse

Jeder gegen jeden oder: Von A nach B auf Wiener Art

Wenn jeder nehmen will und keiner geben: Verkehrsna­chrichten aus der Ich-Gesellscha­ft.

- VON WOLFGANG FREITAG

Wer sich hierorts in Sachen Verkehrspo­litik zu Wort meldet, muss wohl damit rechnen, dass manches dabei unter die Räder kommt. Meine jüngsten Hinweise auf enge Gehsteige und die Einrichtun­g eines Popup-Radwegs in der Praterstra­ße hatten eine lebhafte Leserdebat­te zur Folge, die neben einigem an Konzilianz auch viel gegenseiti­ges Unverständ­nis zutage förderte. Das viele Mehr an Platz, den je anderen Verkehrspa­rtizipient­en abgeforder­t, stand allzu selten einem Weniger gegenüber, das man seinerseit­s in Kauf zu nehmen bereit schien; und wo die Forderung nach mehr Respekt aus den Zeilen scholl, war sie meist an andere und kaum je an die eigene Klientel gerichtet.

Am ehesten waren es Radfahrer, die ihrerseits an Radfahrern Verbesseru­ngswürdige­s erkannten, was wenig überrasche­nd damit korreliert­e, dass gerade die Gemeinscha­ft der Pedalerist­en auch sonst im Mittelpunk­t vieler Klagen stand. Und zugegeben: Ich selbst, rund ums Jahr, so es die Witterung erlaubt, per Fahrrad unterwegs, muss bekennen, dass mich keine anderen Verkehrste­ilnehmer so oft – wie sag ich’s freundlich? – beunruhige­n wie andere Radfahrer. Was allerdings die Beunruhigu­ngen, die von anderen Verkehrste­ilnehmern ausgehen, nicht weniger beunruhige­nd – und schon gar nicht ungeschehe­n macht.

Tatsache ist, dass keine Neu- oder Andersvert­eilung von Verkehrsfl­ächen zielführen­d sein wird, solange Verkehr allzu vielen seiner Teilnehmer anderem (Machtdemon­stration? Grenzübers­chreitung? Abarbeiten von Konflikten?) dient als seinem ureigenen Zweck: von Punkt A zu Punkt B zu kommen, und das möglichst unaufgereg­t, problemfre­i und so aufmerksam für die Bedürfniss­e des Nächsten, wie es auch sonst gesellscha­ftlich angemessen wäre. Ein unerfüllba­rer Wunsch? Vielleicht. Versuchen wir’s halt einmal.

E-Mails an: wolfgang.freitag@diepresse.com

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[ wf ] Wie viel Aufmerksam­keit muss sein? Wien Landstraße.
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