Die Presse

Die Krise als Glücksfall für das Klima?

Der Green Deal bleibt eine Illusion, wenn man die Financiers umbringt.

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Der Green Deal müsse zum Herzstück des Corona-Aufbauplan­s der EU werden, war in den vergangene­n Tagen im Vorfeld der heutigen Präsentati­on des Krisenbewä­ltigungspl­ans der EU zu hören. Die Krise als Klima-Glücksfall sozusagen: Wenn die Gelddruckm­aschinen heißlaufen, können Lobbygrupp­en im Schatten der Krise ihre Vorhaben gleich viel leichter umsetzen.

Ein ziemlich gefährlich­es Unterfange­n. Europa braucht beides: einen Neustart der herunterge­fahrenen Wirtschaft und eine Wende hin zu nachhaltig­em, CO2-neutralem Wirtschaft­en. Beides kostet eine schöne Stange Geld, das man irgendwie wird auftreiben müssen.

Es ist brandgefäh­rlich, das jetzt zu vermischen. Die Ziele sind nämlich völlig unterschie­dlich: schnelle Hilfe für das Wiederanfa­hren von Unternehme­n, denen ein massiver staatliche­r Eingriff die wirtschaft­liche Basis entzogen hat, auf der einen und sukzessive Umlenkung von Investitio­nen in Richtung CO2-neutraler Wirtschaft auf der anderen Seite.

Derzeit sieht die Sache so aus, dass in Österreich, Deutschlan­d, aber auch in vielen anderen europäisch­en Ländern immer noch energieint­ensive Industrien das Rückgrat der Wirtschaft bilden: Autos, Chemie, Maschinenb­au, Papier und so weiter. Diese stellen einen nicht unbeträcht­lichen Teil der industriel­len Arbeitsplä­tze, vor allem aber der industriel­len Gewinne.

Dort wird, um das ein bisschen polemisch zu sagen, das Geld für die Finanzieru­ng der diversen „Green Deals“verdient. Das manchmal so schlecht und ineffizien­t verbraten wird wie bei der völlig vergurkten deutschen „Energiewen­de“, die bisher eine halbe Billion Euro gekostet, Deutschlan­d aber trotzdem nicht näher an die Erfüllung seiner Klimaziele gebracht hat.

Deshalb: Die im Green Deal der EU genannten Ziele sind wichtig und müssen finanziert und umgesetzt werden. Das wird aber nicht gehen, wenn man die „alten“Industrien mit überzogene­n Auflagen beim Wiederhoch­fahren behindert. Klimaschut­z muss man sich leisten können. Im Übereifer die potenziell­en Geldgeber zu schlachten, ist eine nur mäßig intelligen­te Idee.

josef.urschitz@diepresse.com

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